Rund sieben Jahre nach Gründung der Beschwerdestelle „SEPA-Diskriminierung“ ist das Beschwerdeaufkommen über sog. IBAN-Diskriminierung bei der Wettbewerbszentrale um rund 30 Prozent angestiegen:
Insgesamt mehr als 130 Beschwerden registriert die Wettbewerbszentrale für 2023. Im Vorjahr waren hier etwas über 100 Beschwerden zu verzeichnen. Im Juni 2017 hatte die Wettbewerbszentrale auf Anregung ihrer Mitglieder in Abstimmung mit der BaFin und der Deutschen Bundesbank eine Beschwerdestelle gegen SEPA-Diskriminierung eingerichtet.
Was ist IBAN-Diskriminierung?
Unternehmen, die als Zahlungsmodalität das Lastschriftverfahren zum Einzug von Forderungen anbieten und verwenden, müssen nach der sog. SEPA-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 260/2012) den Lastschrifteinzug aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchführen lassen. Die Unternehmen sind also verpflichtet, den Einzug von Konten in der EU zuzulassen, die mit dem SEPA-Lastschriftverfahren erreichbar sind. Gleiches gilt auch für die Vornahme von Zahlungen. Lehnen die Unternehmen Konten im EU-Raum ab, so handelt es sich um sog. IBAN-Diskriminierung.
Verstöße in unterschiedlichen Branchen
Die Fälle von SEPA-Diskriminierung sind nicht auf eine bestimmte Branche beschränkt. Ein Schwerpunkt liegt allerdings auf Versicherern, Energieversorgern, Verkehrsgesellschaften und der Telekommunikationsbranche. So haben sich gegenüber der Wettbewerbszentrale kürzlich ein Vermittler von Festnetz- und Internetverträgen sowie eine Leasing- bzw. Finanzierungsbank eines namhaften Automobilherstellers verpflichtet, künftig alle Konten im EU-Raum als Lastschriftkonten zu akzeptieren, nachdem die Wettbewerbszentrale nach Erhalt von Beschwerden gegen diese Praxis der betreffenden Anbieter vorgegangen war. „Gründe für die Ablehnung des Einzugs von EU-Konten bei Lastschriften durch die Unternehmen sind häufig der Einsatz von veralteten IT-Systemen oder nicht richtig geschulte Mitarbeiter in den Unternehmen“, kommentiert Dr. Fabio Schulze, Syndikusrechtsanwalt bei der Wettbewerbszentrale und dort zuständig für den Bereich Finanzmarkt, die Erfahrungen der Wettbewerbszentrale.
Zuletzt Häufung beim Deutschlandticket
Eine Häufung lag im vergangenen Jahr bei Beschwerden betreffend die Bestellung des Deutschlandtickets. Die Beschwerden richteten sich dabei gegen die jeweilige Verkehrsgesellschaft, über die das Abonnement für das Deutschlandticket abgeschlossen werden konnte. Bereits im Bestellprozess bekamen die Kunden in den betreffenden Fällen den Hinweis „Bitte geben Sie eine gültige IBAN an“ angezeigt, obwohl sie eine Kontoverbindung aus dem EU-Raum und damit ein SEPA-erreichbares Konto angegeben hatten. In einigen dieser Fälle haben die Verkehrsgesellschaften die ausländischen Bankverbindungen allerdings akzeptiert, nachdem die Kunden die Unternehmen – auf Anraten der Wettbewerbszentrale – zum Akzeptieren ihrer Bankverbindungen aufgefordert hatten. In einem Fall hatte die Wettbewerbszentrale Unterlassungsklage gegen eine Verkehrsgesellschaft beim zuständigen Landgericht erhoben. In diesem Fall hat das Unternehmen die Klageforderungen anerkannt, sodass das Gericht ein Anerkenntnisurteil erließ.
Eingeleitete Gerichtsverfahren
Nicht in allen Fällen sind die Unternehmer zu einer außergerichtlichen Einigung bereit. In durchschnittlich fünf Fällen pro Jahr erhebt die Wettbewerbszentrale Klage beim zuständigen Landgericht. In einem Fall hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass es einer Anbieterin von Zeitschriftenabonnements auch dann untersagt ist, die Möglichkeit zur Zahlung per Lastschrift von Konten im EU-Raum einzuschränken, wenn ein Dritter für den eigentlichen Kunden per Lastschrift zahlt (LG Hamburg, Urteil vom 18.04.2023, Az. 406 HKO 86/22). In einem weiteren Fall hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass der Tatbestand der SEPA-Diskriminierung bereits dann erfüllt ist, wenn der Vertrag, für dessen Abwicklung letztlich die ausländische Bankverbindung genutzt werden soll, nicht zustande kommt (LG Düsseldorf, Urteil vom 02.06.2023, Az. 38 O 162/22). In einem anderen Fall hat ebenfalls das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass sich eine Anbieterin von „Auto Abos“, nachdem sie Lastschrift-Abbuchungen von einem Konto in Litauen abgelehnt hatte, nicht darauf berufen kann, es habe sich bei der Ablehnung der Kontoverbindung nur um eine rechtlich unverbindliche E-Mail gehandelt (LG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2024, Az. 38 O 219/23).
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist eine Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.100 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen an, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb.
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Finanzmarkt >>
Zur Beschwerdestelle Sepa-Diskrimierung der Wettbewerbszentrale >>
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