Auch mehr als fünf Jahre nach Gründung der Beschwerdestelle „SEPA-Diskriminierung“ bearbeitet die Wettbewerbszentrale noch immer jährlich mehr als 100 Beschwerden über sog. IBAN-Diskriminierung. Damit bewegt sich das diesbezügliche Beschwerdeaufkommen weiterhin auf einem konstanten Niveau. Im Juni 2017 hatte die Wettbewerbszentrale auf Anregung ihrer Mitglieder in Abstimmung mit der BaFin und der Deutschen Bundesbank eine Beschwerdestelle gegen SEPA-Diskriminierung eingerichtet.
Was ist IBAN-Diskriminierung?
Unternehmen, die als Zahlungsmodalität das Lastschriftverfahren zum Einzug von Forderungen anbieten und verwenden, müssen nach der sog. SEPA-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 260/2012) den Lastschrifteinzug aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchführen lassen. Die Unternehmen sind also verpflichtet, den Einzug von Konten in der EU zuzulassen, die mit dem SEPA-Lastschriftverfahren erreichbar sind. Gleiches gilt auch für die Vornahme von Zahlungen. Lehnen die Unternehmen Konten im EU-Raum ab, so handelt es sich um sog. IBAN-Diskriminierung.
Verstöße in unterschiedlichen Branchen
Die Fälle von SEPA-Diskriminierung sind nicht auf eine bestimmte Branche beschränkt. Ein Schwerpunkt liegt allerdings auf Versicherern, Energieversorgern, Verkehrsgesellschaften und der Telekommunikationsbranche. So haben sich gegenüber der Wettbewerbszentrale kürzlich ein Festnetz- und Mobilfunkanbieter sowie der französische Musikstreaming-Dienst „Deezer“ verpflichtet, künftig alle Konten im EU-Raum als Lastschriftkonten zu akzeptieren, nachdem die Wettbewerbszentrale nach Erhalt von Beschwerden gegen diese Praxis der betreffenden Anbieter vorgegangen war. „Gründe für die Ablehnung des Einzugs von EU-Konten bei Lastschriften durch die Unternehmen sind häufig der Einsatz von veralteten IT-Systemen oder nicht richtig geschulte Mitarbeiter in den Unternehmen“ kommentiert Dr. Fabio Schulze, Syndikusrechtsanwalt bei der Wettbewerbszentrale und dort zuständig für den Bereich Finanzmarkt, die Erfahrungen der Wettbewerbszentrale.
Eingeleitete Gerichtsverfahren
Nicht in allen Fällen sind die Unternehmer zu einer außergerichtlichen Einigung bereit. In durchschnittlich fünf Fällen pro Jahr erhebt die Wettbewerbszentrale Klage beim zuständigen Landgericht. In einem Fall hatte der Energieversorger E.ON abgelehnt, Abschlagszahlungen für die Lieferung von Strom bzw. Erdgas von einem litauischen Konto einzuziehen. In dem Verfahren hat das Landgericht München I (Az. 3 HK O 18493/21, Urteil vom 23.12.2022, nicht rechtskräftig) das Unternehmen verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen von Verträgen über die Erbringung von Energielieferungen die Möglichkeit zur Zahlung per Lastschrift von Konten im EU-Raum in der Weise einzuschränken, dass eine Abbuchung von einem Konto in Litauen abgelehnt wird. Das Unternehmen hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt.
Auch Lottogewinne müssen auf SEPA-erreichbare Konten ausgezahlt werden
In einem Fall, in dem eine Lotteriegesellschaft Gutschriften nicht auf ausländische Konten seiner Kunden mit Wohnsitz in Deutschland auszahlen wollte, konnte die Wettbewerbszentrale jüngst außergerichtlich eine Einigung erzielen. Das Unternehmen hatte sich zunächst geweigert, Lottogewinne auf ausländische Bankkonten auszuzahlen. Eine Beschränkung auf deutsche Bankkonten war sogar in den AGB der Gesellschaft festgehalten. Nachdem die Wettbewerbszentrale dies moniert hatte, gab das Unternehmen eine entsprechende Unterlassungserklärung ab, in der es sich verpflichtete, Lottogewinne künftig auf sämtliche Konten im EU-Raum auszuzahlen und eine Beschränkung auch künftig nicht mehr in den AGB zu vereinbaren.
Fallzahlen in der Rechtsdurchsetzung rückläufig
Die Zahl der Fälle, in denen die Wettbewerbszentrale eine solche „SEPA-Diskriminierung“ im Wege einer Abmahnung beanstandet, ist zuletzt rückläufig. Während im Jahr 2017 noch in drei Viertel der Fälle eine förmliche Beanstandung erfolgte, sprach die Wettbewerbszentrale im Jahr 2022 nur noch bei etwa einem Drittel der Beschwerden eine entsprechende Beanstandung aus – eine positive Bilanz zur Arbeit der SEPA-Beschwerdestelle.
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist eine Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.100 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen an, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb.
Kontakt:
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V.
Dr. Fabio Schulze
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
Tannenwaldallee 6
61348 Bad Homburg
Tel. 06172-1215-40
E-Mail: presse@wettbewerbszentrale.de
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