Das Landgericht Mainz hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale einem Energieversorgungsunternehmen verboten, den eigenen Erdgas-Tarif mit einer Ersparnis von bis zu 1.458,25 € gegenüber dem Grundversorgungstarif des örtlichen Grundversorgers zu bewerben (LG Mainz, Urteil vom 14.01.2021, Az. 12 HK O 2/20 – nicht rechtskräftig).
Der beklagte Energieversorger hatte in Werbeschreiben einen Vergleich zwischen dem eigenen Erdgastarif und dem Grundversorgungstarif eines Versorgungsunternehmens vorgenommen und dabei einen Erdgasverbrauch von 50.000 kWh jährlich zugrunde gelegt. Er warb mit einer Ersparnis von „bis zu 1.458,25 EUR“.
Die Wettbewerbszentrale beanstandete das als irreführend. Bei diesem Verbrauch, der dem Zweieinhalbfachen des Durchschnittverbrauchs eines Haushalts entspricht, nutzten nur rund 1% der Kunden des örtlichen Grundversorgers den Grundversorgungstarif.
Das Gericht schloss sich der Auffassung der Wettbewerbszentrale an: Der verständige Durchschnittsverbraucher rechne zwar, so das Gericht, bei Preisvergleichen zwischen Energietarifen damit, dass das werbende Unternehmen dem Vergleich nicht unbedingt das günstigste Angebot zugrunde gelegt haben wird. Wird jedoch von einer bestimmten jährlichen Abnahmemenge ausgegangen, gehe der Verbraucher allerdings davon aus, dass der für den Vergleich herangezogene Tarif in der genannten Menge realistisch ist. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn der zugrunde gelegte Tarif nicht nur theoretisch vereinbart werden kann, sondern auch eine nicht unerhebliche Zahl von Kunden diesen Tarif auch tatsächlich nutzt. Nur dann, so die Kammer, stelle dieser für den angesprochenen Verbraucher auch eine wirtschaftlich vernünftige und ernsthaft in Betracht zu ziehende Tarifvariante dar.
Als Grundsatz könne angenommen werden, dass der für den Vergleich herangezogene Tarif nur dann eine realistische Alternative darstelle, wenn dieser beim zugrunde gelegten Verbrauch von etwa 40% der Kunden genutzt wird. Damit orientiert sich das Gericht an einem früheren Verfahren des OLG Frankfurt (Urteil vom 10.12.2009, Az. 6 U 110/09). Nutzten dagegen wie im vorliegenden Fall rund 99% der Kunden des Grundversorgers gerade nicht den Grundversorgungstarif, könne er nicht als wirtschaftlich realistische Variante angesehen werden. Bereits im Jahr 2009 hatte das OLG Frankfurt außerdem entschieden, dass ein derartiger Vergleich dann irreführend ist, wenn der Anteil der Kunden des Grundversorgers in der zugrunde gelegten Abnahmemenge bei nur 3% liegt (OLG Frankfurt, Urteil vom 18.08.2009, Az. 6 U 80/09).
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HH 3 0195/19
bo
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