Die Frage der Verwendung von kostenpflichtigen Rufnummern in Widerrufsbelehrungen bzw. zur Kontaktaufnahme zum Anbieter ist Gegenstand zweier Musterverfahren, die die Wettbewerbszentrale derzeit führt. Im Kern geht es dabei um die Auslegung von Artikel 21 Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) >> sowie der dazu ergangenen nationalen Vorschrift des § 312 a Abs. 5 BGB >>. Danach darf Verbrauchern bei Fragen oder Erklärungen zu einem bereits geschlossenen Vertrag für eine telefonische Rücksprache kein Entgelt auferlegt werden, welches das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt.
In einem der beiden Verfahren hat das Landgericht Hamburg nun entschieden, dass die Nutzung einer 01805er-Nummer in der Widerrufsbelehrung im entschiedenen Fall diesen Vorgaben genügte (LG Hamburg, Urteil vom 03.11.2015, Az. 312 O 21/15 – nicht rechtskräftig): Maßgeblich für die Beurteilung sei allein, ob ein Unternehmen durch die Nummer Gewinne erziele. Sofern Rufnummern wie 01805er-Nummern genutzt werden, die bundesweit zu einem einheitlichen Tarif angewählt werden können, liege kein Wettbewerbsverstoß vor, wenn der Telekommunikationsdienstleister das durch die Nutzung der 01805er-Nummer erzielte Entgelt gerade nicht an den Unternehmer abführe. Im vorliegenden Fall hatte das beklagte Unternehmen für den Anruf über die 01805er-Nummer maximal 0,42 Euro pro Minute bzw. 0,14 Euro pro Minute als anfallende Kosten angegeben, wobei das erzielte Entgelt aber als „Grundtarif“ anzusehen sei, da das erzielte Entgelt beim Provider verbleiben würde.
Das Landgericht Hamburg war auch der Auffassung, dass diese Kosten nicht so hoch seien, dass sie einen Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechtes abhalten könnten – dies umso mehr, als zusätzlich eine E-Mailadresse vorgehalten werde, über die das Widerrufsrecht ebenfalls hätte ausgeübt werden können. Das Landgericht Hamburg hat entsprechend mit Urteil vom 03.11.2015 (Az. 312 O 21/15 – nicht rechtskräftig) die Klage der Wettbewerbszentrale abgewiesen.
Die Wettbewerbszentrale hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt mit der Begründung, dass es unerheblich sei, ob der erzielte Mehrerlös durch die kostenpflichtige 01805er Nummer beim Provider oder aber beim Unternehmer verbleibt. Ein erhöhter Tarif werde nicht dadurch zum Grundtarif, dass die erzielten Mehreinnahmen beim Telekommunikationsdienstleister verbleiben.
Das Landgericht Stuttgart hat in dem Parallelverfahren – anders als das Landgericht Hamburg – die Auffassung vertreten, dass die Frage der Verwendung einer kostenpflichtigen Servicerufnummer zur Kontaktaufnahme zum Anbieter einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof bedürfe (LG Stuttgart, Beschluss vom 15.10.2015, Az. 11 O 21/15, siehe News vom 02.11.2015 >>). Es müsse geklärt werden, ob die Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie einer nationalen Bestimmung entgegen stehen, nach der eine 0180-Nummer von einem Unternehmer zur Kontaktaufnahme genutzt werden könne, sofern der Telekommunikationsanbieter keinen Entgeltanteil an den Unternehmer abführt. Das LG Stuttgart hat dementsprechend das Verfahren ausgesetzt und die Frage dem EuGH vorgelegt.
Weiterführende Informationen:
(S 3 0843/14 und F 5 0548/14)
gb
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater