Der EuGH hat dazu entschieden, ob es zulässig ist, auf einer SIM-Karte kostenpflichtige Voreinstellungen zu Mailbox- und Internetzugangsdiensten vorzunehmen, ohne den Verbraucher vorher darüber zu informieren (Urteil v. 13.09.2018, verbundene Rechtssachen C-54/17 – AGCM/Wind Tre SpA und C-55/17 – AGCM/Vodafone Italia Spa).
Die Telekommunikationsunternehmen Wind Tre und Vodafone Italia hatten SIM-Karten für den Einsatz in Smartphones verkauft, bei denen Mailbox- und Internetzugangsdienste voreingestellt und –aktiviert waren, die zudem kostenpflichtig waren. Darüber wurde der Verbraucher jedoch nicht informiert. Hiergegen ging im Jahr 2012 die italienische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde AGCM vor und verhängte jeweils Geldbußen wegen aggressiver Geschäftspraktiken gegen die beiden Unternehmen.
Der Staatsrat Italien setzte ein Gerichtsverfahren der beiden Unternehmen gegen die AGCM wegen der verhängten Geldbußen aus und legte dem EuGH u. a. die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob das Verhalten der Telefongesellschaften als „unbestellte Waren oder Dienstleistungen“ oder allgemeiner als „aggressive Geschäftspraxis“ i. S. d. UGP-RL (2005/29/EG) angesehen werden könne.
Der Generalanwalt beim EuGH vertrat in seinen Schlussanträgen dazu die Ansicht, dass in dem vorliegenden Fall der Verbraucher, aufgrund der erteilten Informationen über die Preise der Mailbox- und Internetzugangsdienste, schon zu dem Schluss hätte kommen können, dass die erworbene SIM-Karte solche Dienste enthalte, sowie das Verhalten der Unternehmen keine aggressive Geschäftspraxis darstelle.
Der EuGH entschied nun, dass die Inanspruchnahme eines Dienstes eine freie Entscheidung des Verbrauchers darstellen müsse. Eine solche liege jedoch nicht vor, wenn der Verbraucher weder über die Kosten der Dienste noch über ihre Vorinstallation und –aktivierung auf der von ihm gekauften SIM-Karte aufgeklärt wurde. Es sei nicht offensichtlich, dass der durchschnittliche Käufer einer SIM-Karte sich darüber bewusst wäre, dass diese vorinstallierte und –aktivierte Dienste enthalte, die zusätzliche Kosten verursachen können. Dabei sei es unerheblich, wenn der Verbraucher die Möglichkeit habe, diese Dienste zumindest abschalten zu lassen, da er zuvor nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass es diese Dienste überhaupt gibt.
Der EuGH kam damit zu dem Ergebnis, dass das Verhalten der Telefongesellschaften die „Lieferung einer unbestellten Ware oder Dienstleistung“ darstelle und damit eine unter allen Umständen unlautere bzw. aggressive Geschäftspraktik.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung Nr. 130/18 des EuGH vom 13.09.2018 >>
Urteil im Volltext aus der EU-Rechtsprechungsdatenbank curia.europa >>
News der Wettbewerbszentrale zu den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH in dieser Sache >>
lk/es
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