Am 07.11.2024 finden vor dem Bundesgerichtshof (BGH) die Termine zur mündlichen Verhandlung in gleich zwei Verfahren der Wettbewerbszentrale statt. In den beiden sehr unterschiedlich gelagerten Fällen ist jeweils über die Frage zu entscheiden, ob bzw. welche geschäftlichen Aktivitäten an Sonn- und Feiertagen mit dem Ladenöffnungsgesetz NRW in Einklang zu bringen sind. Beide Verfahren sollen für eine Rechtsklarheit innerhalb der betroffenen Branchen sorgen.
Botendienst eines Lieferdienstes am Sonntag für überwiegend nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
Zunächst wird sich der BGH in einem für Apothekerinnen und Apothekern wichtigen Verfahren (Az. I ZR 20/24) mit der Frage befassen, ob eine Apotheke per Botendienst Arzneimittel auch an Sonn- und Feiertagen ausliefern lassen darf, wenn sie in dieser Zeit nicht von der Apothekerkammer zum Notdienst eingeteilt ist.
Der beklagte Apotheker hatte mit einem bundesweit tätigen Lieferservice kooperiert. Über dessen Smartphone-App war es Verbrauchern auch an Sonn- und Feiertagen möglich, Arzneimittel u.a. bei dem Beklagten in dessen Apotheke in Köln zu bestellen. Die bestellten Produkte wurden bei der Apotheke von einem beim Lieferservice angestellten Botenfahrer abgeholt und noch am Tag der Bestellung an die im Bestellprozess angegebene Anschrift ausgeliefert. Hierin erblickte die Wettbewerbszentrale Verstöße gegen § 3 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage in Nordrhein-Westfalen und §§ 4, 7 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten NRW.
Das Landgericht Köln folgte dieser Auffassung der Wettbewerbszentrale (Urt. v. 20.04.2023, Az. 81 O 70/22) und stellte fest, dass sich der Beklagte durch sein Handeln einen Wettbewerbsvorteil verschaffe, indem er sich über die Schließungsanordnung hinwegsetze und gemeinsam mit dem Lieferservice Arzneimittel absetze. Dabei mache er sich den Umstand zu Nutze, dass der Wettbewerb durch die Schließungsverfügungen der zuständigen Apothekerkammer ausgeschaltet sei und Konkurrenz nur noch in Apotheken bestehe, die zum Notdienst eingeteilt sind. Dies bedeute einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für alle Mitbewerber, die an Sonn- und Feiertagen unter Beachtung der Schließungsverfügungen keine Arzneimittel vertrieben. Ein Recht zur Öffnung seiner Apotheke auch an Sonn- und Feiertagen folge entgegen seiner Rechtsauffassung auch nicht aus der Apothekenbetriebsordnung.
Das Oberlandesgericht Köln (Az. 6 U 65/23) bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Auch aus der Neufassung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 ergebe sich nicht, dass der Bundesverordnungsgeber eine abschließende Regelung für die Befugnis der Apotheken treffen wollte, an Sonn- und Feiertagen unabhängig von den Ladenöffnungszeiten der Länder zu öffnen. Das Oberlandesgericht ließ die Revision mit Blick auf die grundsätzliche Bedeutung der zu klärenden Rechtsfragen zu.
Verkauf von Waren des Randsortiments zu Blumen und Pflanzen durch Gartencenter an Sonn- und Feiertagen
In dem weiteren Verfahren (BGH, Az. I ZR 38/24) steht die Frage im Mittelpunkt, ob in Gartencentern in NRW Waren wie künstliches Tannengrün, Christbaumschmuck und Deko-Zimtstangen auch an Sonn- und Feiertagen verkauft werden dürfen.
Die Beklagte betreibt mehrere Gartencenter in Nordrhein-Westfalen, in welchen sie u.a. die oben aufgelisteten Waren an Sonn- und Feiertagen zum Verkauf angeboten und verkauft hat. Die Wettbewerbszentrale sah hierin einen Verstoß gegen §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 1 LÖG-NRW. Nach dieser Vorschrift dürfen an Sonn- und Feiertagen in Gartencentern nur Blumen und Pflanzen und ein hierzu gehörendes begrenztes Randsortiment verkauft werden. Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale handelt es sich bei den o.g. Produkten weder um Blumen und Pflanzen noch um ein begrenztes Randsortiment hierzu. Da nach Beanstandung keine außergerichtliche Einigung erfolgte, erhob die Wettbewerbszentrale Unterlassungsklage.
Das Landgericht Bochum (Urt. v. 07.06.2023, Az. I-15 O 27/23) folgte der Auffassung der Wettbewerbszentrale nicht und wies die Klage, soweit die Gegenseite diese nicht zuvor in Teilen anerkannt hatte, ab. Auch die hiergegen von der Wettbewerbszentrale bei dem Oberlandesgericht Hamm eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg (Az. I-4 U 136/23). Soweit die Wettbewerbszentrale die Auffassung vertrete, zum Randsortiment seien nach dem Willen des Gesetzgebers nur solche Waren zu zählen, die darüber hinaus zum sofortigen Ge- und Verbrauch bestimmt sind, könne dem – so das OLG Hamm – nicht gefolgt werden. Auch sei der Verkauf von Produkten des Randsortiments nicht nur dann zulässig, wenn diese gleichzeitig oder im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Produkten des Kernsortiments (z.B. Blumen) erfolgen.
Das OLG Hamm hat die Revision gegen sein Berufungsurteil zugelassen, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Hinweisbeschluss (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.10.2017, Az. 1-15 U 105/16) die abweichende Auffassung vertreten hatte, dass der isolierte Verkauf bloß grundsätzlich zur Kombination mit Blumen und/oder Pflanzen geeigneter Produkte wie etwa Christbaumschmuck nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW privilegiert sei. Der BGH hat daher über die von den beiden genannten Oberlandesgerichten in NRW unterschiedlich beantwortete Rechtsfrage das letzte Wort.
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as
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