Home News Bezeichnung eines in Rosenheim gebrauten Bieres als „Chiemseer“ irreführend – Auffassung der Wettbewerbszentrale vom OLG München bestätigt

Bezeichnung eines in Rosenheim gebrauten Bieres als „Chiemseer“ irreführend – Auffassung der Wettbewerbszentrale vom OLG München bestätigt

Das Oberlandesgericht München hat auf Antrag der Wettbewerbszentrale einer Brauereigesellschaft untersagt, ein Bier unter der Bezeichnung „Chiemseer“ anzubieten, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern das Bier in Rosenheim gebraut wird (OLG München, Urteil vom 17.03.2016, Az. 29 U 3187/15). Die Revision wurde nicht zugelassen.

Das Oberlandesgericht München hat auf Antrag der Wettbewerbszentrale einer Brauereigesellschaft untersagt, ein Bier unter der Bezeichnung „Chiemseer“ anzubieten, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern das Bier in Rosenheim gebraut wird (OLG München, Urteil vom 17.03.2016, Az. 29 U 3187/15). Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Wettbewerbszentrale hatte die Aufmachung des Bieres wegen Irreführung über die geografische Herkunft (§§ 126, 127 Markengesetz) beanstandet, da das Bier nicht am Chiemsee, sondern in Rosenheim gebraut wurde. Auf dem Brust- und Bauchetikett sowie auf dem Bierkasten befand sich prominent die Bezeichnung „Chiemseer“. Auf dem Bauchetikett der Biere war ein der Fraueninsel im Chiemssee nachempfundener Landstrich nebst Gewässerhintergrund und Alpenidyll vor einem bayerisch berauteten Himmel abgebildet, was eine Ufernähe zum Chiemsee suggerierte. Außerdem war zu lesen: „Chiemgauer Brauhaus – Rosenheim – Chiemseer“. Rosenheim liegt 16 Kilometer entfernt vom Chiemsee am Grenzfluss zum Chiemgau (Inn). Unter der Bezeichnung „Chiemseer“ wurde bis 2008 ein Bier von einer an einem anderen Ort gelegenen Brauerei vertrieben.

Nach den nunmehr vorliegenden Urteilsgründen sah das OLG München entgegen den Ausführungen der Vorinstanz (LG München I, Az. 17 HK O 1091/15) in der Gesamtaufmachung eine Irreführung. Wegen der deutschlandweiten Bekanntheit des Chiemsees sei die adjektivistische Bezugnahme „Chiemseer“ vom europäischen Durchschnittsverbraucher, der die Verkehrsauffassung bestimmt, als geografische Herkunftsangabe einzuordnen. Dieser erwarte, dass ein so bezeichnetes Bier von einer an diesem See gelegenen Brauerei stamme. Dies sei beim Brauort Rosenheim, der nicht mehr im Chiemgau und schon gar nicht am Chiemsee liegt, nicht der Fall. Eine einfache geografische Herkunftsangabe (§ 127 Abs. 1 MarkenG) setze zudem auch keine besonderen, auf regionale oder örtliche Eigenheiten zurückzuführende Qualitätsvorstellungen des Verbrauchers voraus.

Zudem nahm das OLG auch zur Verwendung entlokalisierender bzw. dislozierender Zusätze, also Angaben, die den Verkehr auf die richtige Herkunft hinweisen, Stellung. An diese seien strenge Anforderungen zu stellen, da geografischen Herkunftsangaben ein möglichst wirksamer Schutz gegen unrichtige Verwendung gewährt werden soll und im Allgemeinen kein schutzwürdiges Interesse Dritter bestehe, unrichtige Angaben über die Herkunft zu verwenden. Die Angabe „Chiemseer Brauhaus Rosenheim“ sei schon deshalb nicht geeignet, eine Fehlvorstellung auszuräumen, da nicht vorausgesetzt werden könne, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die geografische Lage des Chiemsees und Rosenheims kennen. Diese wüssten allenfalls, dass beide in Oberbayern liegen. Da das Bier auch außerhalb Bayerns vertrieben werde, komme es tatsächlich nicht auf das Verständnis des Ortsansässigen an. Durch das Dasein als kostengünstiges Alltagsgut sei auch nicht zu erwarten, dass der Verbraucher sich näher über die geografischen Gegebeheiten informiert, womit die Angabe des Standortes des Brauhauses nicht ausreiche, um einer Irreführung entgegenzutreten. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass der Verbraucher annehme, Rosenheim liege am Chiemsee oder im Chiemgau.

Für eine Verhältnismäßigkeitsbetrachtung im Sinne der Warsteiner-Urteile des BGH (vor allem Warsteiner III, BGH Urteil vom 19.09.2001, Az. I ZR 54/96), die dem Unternehmen ausnahmsweise die Verwendung der Bezeichnung „Chiemseer“ erlauben könnte, sah das Gericht keinen Raum. Im Allgemeinen bestehe kein schutzwürdiges Interesse Dritter, eine unrichtige geografische Herkunftsangabe zu verwenden. Eine Besonderheit wie bei der Entscheidung Warsteiner III, in der der BGH ausnahmsweise das Interesse für die Verwendung eines wertvollen, nicht zu beanstandenden Kennzeichens aufgrund einer unumgänglichen Unternehmensexpansion für ein Produkt, welches nicht am suggerierten Ort gebraut wurde, als überwiegend beurteilte, sah das OLG München für die Bezeichnung „Chiemseer“ nicht als gerechtfertigt an. Insbesondere sei der Aufgriff einer Bezeichnung für ein früher von einer anderen Brauerei für ein an einem anderen Ort hergestelltes Bier kein eigener wertvoller Besitzstand, der eine Verwendung rechtfertigen würde.

M 2 0361/14

Weiterführende Informationen

Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Getränke/ Brauereien >>

Jahresbericht 2014 der Wettbewerbszentrale >>

BGH Urteil vom 19.01.2001, Az. I ZR 54/96 – Warsteiner III (in der Rechtsprechungsdatenbank des Bundesgerichtshofs) >>

Zu geografischen Herkunftsangaben:

News vom 18.03.2016 OLG Stuttgart zu Herkunftsangaben bei Kultur-Champignons: Trotz Irreführung über die Herkunft ist allein das Ernteland maßgeblich für die Angabe zum Ursprungsland >>

News vom 16.07.2015 Geschützte Ursprungsbezeichnung: „Portwein“ muss aus Portugal stammen – Beschwerden über als „Port“ angebotene Likörweine aus Südafrika erreichen Wettbewerbszentrale >>

News vom 24.07.2013 Irreführende Werbung eines Hofladens mit „30 frische Eier unsortiert direkt aus dem Stall“ >>

News vom 06.02.2013 OLG Karlsruhe zur Herkunftstäuschung bei einem „türkischen“ Käse >>

mk/sb

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