In einem aktuellen Verfahren der Wettbewerbszentrale geht es um die Frage, ob das rezeptfreie Arzneimittel B. außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes beworben wurde: Das Landgericht München hatte im März eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der dem Unternehmen untersagt worden war, für das Arzneimittel B. mit der Aussage zu werben „Grippaler Infekt – Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste“ zu bewerben. Auf den Widerspruch der Gegenseite hin hat das Landgericht nun die einstweilige Verfügung bestätigt (LG München I, Urteil vom 27.09.2022, Az. 1 HK O 3681/22, nicht rechtskräftig).
Zum Sachverhalt
Im konkreten Fall geht es um die Frage, ob die Aussage, die „schlimmsten Symptome“ würden bei Einnahme des Erkältungsmittels „übersprungen“, von der arzneimittelrechtlichen Zulassung gedeckt ist. Das von dem Pharmaunternehmen beworbene rezeptfreie Arzneimittel ist zur symptomatischen Behandlung von Erkältungsbeschwerden zugelassen. In dem beanstandeten Werbespot wurde eine junge, sichtlich und hörbar erkältete Frau in Alltagsszenen gezeigt. Aus dem Off ist eine weibliche Stimme zu hören mit dem Text „Leben – Du kannst mich unendlich glücklich machen! Grippaler Infekt – Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste“. Im Zusammenhang mit dieser Aussage ist die Frau eingeblendet, die eine virtuelle Schaltfläche mit der Aufschrift „Überspringen“ vor sich hat und anklickt. Die in der nächsten Szene aufgeführten Symptome eines grippalen Infektes wie Kopf- und Gliederschmerzen verschwinden aus dem Bild.
Die Wettbewerbszentrale vertritt die Auffassung, die Aussage, Symptome würden übersprungen, bedeute in den Augen der Verbraucher*innen, dass Symptome eines grippalen Infektes abgekürzt oder gar gänzlich übersprungen würden. Die Antragsgegnerin hat argumentiert, dass das Versprechen des „Überspringens“ nur für eine Linderung der im Anschluss eingeblendeten Beschwerden stehe.
Zum Urteil
Das LG München I versteht die beanstandete Aussage so, dass mit „das Schlimmste“ die „schlimmsten Symptome“ gemeint sind. Dies ergebe sich insbesondere aus der der Schaltfläche „Überspringen“ übergeordneten Zeile „Die schlimmsten Symptome“. Im Hinblick auf den Wortgehalt des Begriffs „Überspringen“ müsse die Aussage deshalb insgesamt so verstanden werden, dass ein grippaler Infekt unter Einnahme des Medikaments der Verfügungsbeklagten unter Auslassung oder zumindest sprunghaften Verkürzung (=vollständigen Beseitigung) der damit einhergehenden (schlimmsten) Symptome durchgemacht werden könne. Das sei aber eine Wirkung, die selbst die Verfügungsbeklagte ihrem Arzneimittel nicht zuschreibe.
Die Frage, ob die Werbung für ein Arzneimittel sich (noch) auf zugelassene Anwendungsgebiete bezieht oder darüber hinausgeht, ist in der Praxis der Wettbewerbszentrale in Einzelfällen immer wieder einmal Thema.
Weiterführende Informationen
F 4 0034/22
ck
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater