Das sehen die Instanzgerichte unterschiedlich. In einer aktuellen Entscheidung kommt das OLG Hamburg zu dem Ergebnis, dass Influencer Beiträge mit Produktdarstellungen und Herstellerhinweisen nicht explizit als Werbung gekennzeichnet werden müssen, wenn es für den Verbraucher offensichtlich ist, dass es sich um Influencer-Marketing handelt (Urteil v. 02.07.2020, Az. 15 U 142/19). Zu einem ähnlichen Urteil gelangte das LG München I (Urteil v. 29.04.2019, Az. 4 HK O 14312/18), das vom OLG München im Ergebnis bestätigt wurde (Urteil v. 25.06.2020, Az. 29 U 2333/19). Anders sieht es u. a. das OLG Frankfurt a. M. (Beschluss vom 24.10.2019, Az. 6 W 68/19).
Den Verfahren liegt jeweils ein ähnlicher Sachverhalt zu Grunde. Die meisten Rechtsfragen bewerten die Gerichte daher gleichermaßen. Allerdings schätzen die Instanzgerichte die Auffassung der Verbraucher unterschiedlich ein. Und genau das führt dann am Ende jeweils zu einer unterschiedlichen Entscheidung.
In der aktuellen Entscheidung des OLG Hamburg ging es um eine Influencerin die mit Werbeverträgen ihren Lebensunterhalt verdient. Auf ihrem Instagram-Account hat sie rund 1,7 Mio. Follower. Dort veröffentlicht sie zu den Themen Beauty, Mode, Lifestyle und Reisen Bilder und Texte. Erhält sie für gezeigte Produkte eine Bezahlung, kennzeichnet sie ihre Posts ausdrücklich als Werbung.
In dem Hamburger Verfahren waren drei Posts beanstandet, in denen die Influencerin konkrete Produkte gezeigt hatte und die jeweils mit Hinweisen auf den Hersteller bzw. auf andere Unternehmen versehen und auf deren Instagram-Accounts verlinkt waren. Diese hatte die Influencerin nicht als Werbung gekennzeichnet, da sie hierfür nicht bezahlt worden war. Der klagende Verband ist der Ansicht, dass auch diese Posts ausdrücklich als Werbung hätten gekennzeichnet werden müssten. Denn nach § 5a Abs. 6 UWG handle unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich mache, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergebe, und das Nichtkenntlichmachen geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Kommerzielle Zweck / geschäftliche Handlung
Das OLG Hamburg, kommt wie auch die anderen zitierten Gerichte, zu dem Schluss, dass die beklagte Influencerin ihren Account als Unternehmerin und insgesamt zu kommerziellen Zwecken betreibe. Sinn und Zweck des Accounts sei es, die Bekanntheit der Beklagten als Influencerin zu steigern und zugleich auf Produkthersteller aufmerksam zu machen. Dieses Ziel verfolge die Influencerin unabhängig davon, ob sie für einzelne Postings bezahlt oder diese unentgeltlich posten würde. Damit diene ihr Account sowohl der Förderung des fremden Wettbewerbs als auch der Förderung des eigenen Wettbewerbs, hier vor allem als potentielle Werbepartnerin gegenüber Unternehmen, und sei als „geschäftliche Handlungen“ einzuordnen. Diese hatte das OLG München sogar bereits abgelehnt.
Ist die fehlende Kennzeichnung unlauter?
Genau hier kommen die Gerichte nun zu unterschiedlichen Auffassungen. Grade das OLG Frankfurt a. M. vertritt eine andere Ansicht und bejaht bei diesem Punkt die Unlauterkeit. Die Hamburger Richter sind hingegen der Ansicht, dass die Posts nicht als wettbewerbswidrig einzustufen seien, auch wenn sie nicht als Werbung gekennzeichnet seien. Der kommerzielle Zweck der geschäftlichen Handlung ergebe sich nämlich aus den Umständen und sei für einen Verbraucher auf den ersten Blick erkennbar. Der Instagram-Account sei öffentlich und habe mit rund 1,7 Abonnenten ein sehr hohe Zahl von Followern. Die Postings seien professionell gestaltet und es gebe über 50.000 Likes für die Beiträge. Damit sei jedem Verbraucher bewusst, dass es sich um einen professionellen Auftritt der Beklagten handele. Der persönliche und private Touch, den die Beklagte ihren Postings verleihe, sei für den Verbraucher als Marketingmaßnahme zu erkennen. Das Einbeziehen von Werbung in scheinbar privaten Kontext, z. B. bei Homestories von bekannten Personen mit entsprechenden Produkthinweisen, sei dem Verbraucher als Mittel zur Verkaufsförderung seit langem bekannt.
Geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers?
Um die fehlende Kennzeichnung als unlauter einzustufen, müsste sie den „Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung … veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. Dieses Merkmal sieht das OLG Hamburg, im Gegensatz zum OLG Frankfurt a. M., ebenfalls nicht als erfüllt an. Den Followern käme es ausschließlich darauf an, welche Produkte von ihrem jeweiligen Influencer beworben würden – sofern dafür keine Gegenleistung von den Unternehmen erbracht werde. Dies mache gerade das Influencer-Marketing aus. Die Gründe, aus denen das Produkt dort vorgestellt werde, seien zweitrangig. Das Fehlen einer ausdrücklichen Kennzeichnung sei daher nicht i. S. v. § 5a Abs. 6 UWG geeignet, einen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Revison
Der Hamburger Senat hat die Revision zugelassen (Urteil v. 02.07.2020, Az. 15 U 142/19).
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des OLG Hamburg zum Urteil v. 02.07.2020, Az. 15 U 142/19 >>
Entscheidungen zum Influencer Marketing in der Datenbank der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 28.06.2019, Az. 6 W 35/19 >>
LG München I, Urteil v. 29.04.2019, Az. 4 HK O 14312/18 >>
LG Karlsruhe, Urteil v. 21.03.2019, Az. 13 O 38/18 KfH, AfP 2019 >>
OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss v. 08.01.2019, Az. 2 U 89/19 >>
Anderer Ansicht ist das KG Berlin, Urteil v. 08.01.2019, Az. 5 U 83/18 >>
cb
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