Das Verbot des Vertriebs von Luxusartikeln über Internetplattformen wie Amazon oder eBay, das der Hersteller seinen autorisierten Händlern vertraglich auferlegt, kann unter bestimmten Bedingungen zulässig sein. Diese Rechtsauffassung vertritt der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem aktuellen Verfahren ( Pressemitteilung des EuGH Nr. 89/17 vom 26.07.2017 >>). Es geht um die Frage, ob der Hersteller von Luxuskosmetik den Händlern seines selektiven Vertriebssystems untersagen darf, die Waren im Internet über Drittunternehmen zu vertreiben, die nach außen erkennbar vom Hersteller nicht autorisiert sind (Schlussanträge vom 26.07.2017, Az. C-230/16).
Hintergrund: Die Firma Coty Germany GmbH vertreibt Luxuskosmetik über autorisierte Händler in einem selektiven Vertriebssystem, um die luxuriöse Ausstrahlung ihrer Marken zu wahren. Die Ladengeschäfte der Händler müssen Qualitätsanforderungen im Hinblick auf Umgebung, Ausstattung und Einrichtung erfüllen. Der Verkauf über das Internet ist ihnen gestattet, sofern der Internetauftritt als „elektronisches Schaufenster“ geführt wird und der Luxuscharakter der Produkte dabei gewahrt bleibt. Verboten ist es den Händlern, für den Verkauf nach außen erkennbar nicht autorisierte Drittunternehmen zu nutzen. Damit ist der Vertrieb über Internetplattformen wie Amazon oder eBay ausgeschlossen.
Eine derartige Klausel fällt nach Auffassung des Generalanwalts nicht von vornherein unter das Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AEUV). Voraussetzung sei jedoch, dass diese Beschränkung durch die Natur der Ware bedingt sei und die Vertragsbestimmung einheitlich festgelegt und unterschiedslos angewandt werde. Schließlich dürfe die Beschränkung nicht über das Erforderliche hinausgehen. Das tut sie nach Auffassung des Generalanwalts nicht. Das Verbot des Vertriebs über nach außen erkennbare Plattformen sei geeignet, das Luxusimage der Waren zu sichern. Es gewährleiste, dass die Waren in dem Umfeld verkauft würden, das der Hersteller festgelegt habe. Es erlaube zudem, „sich gegen Phänomene des Parasitismus zu wappnen.“ Auch verhindere das Verbot, dass die vom Hersteller und den autorisierten Händlern vorgenommenen Investitionen und Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität und des Ansehens der betreffenden Waren anderen Unternehmen zugute kämen. Unbenommen bleibe es den Händlern schließlich, nach außen nicht erkennbare Drittplattformen für den Vertrieb zu nutzen. Fiele ein derartiger Ausschluss des Internetvertriebs dagegen unter das Kartellverbot, sei es nach Maßgabe der Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen vom Kartellverbot freigestellt. Die streitige Vertragsklausel stelle weder eine Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers dar noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher.
Im Jahre 2011 hat der EuGH entschieden, dass es kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sei, den Prestigecharakter von Waren zu schützen (EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az. C-439/09 >>). Dazu sieht sich der Generalanwalt nicht in Widerspruch.
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für die Richter des EuGH nicht bindend.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des EuGH Nr. 89/17 vom 26.07.2017 >>
wn
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