Die Wettbewerbszentrale empfiehlt Online-Händlern, die Lebensmittel an Endverbraucher abgeben, ihren Web-Shop dahingehend zu überprüfen, ob die Vorschriften der LMIV eingehalten werden und erforderlichenfalls Nachbesserungen vorzunehmen.
Denn: In jüngster Zeit erhält die Wettbewerbszentrale immer wieder Anfragen und Beschwerden über die Nichteinhaltung von Informationspflichten bei Lebensmitteln im Online-Handel. Durch Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung, kurz: LMIV >>) sind für diesen zahlreiche neue Informationspflichten eingeführt worden, die seit dem 13.12.2014 gelten. Von den Pflichtinformationen nach Art. 14 LMIV sind mit Ausnahme des Mindesthaltbarkeitsdatums aber nicht nur die Informationen nach der LMIV wie z.B. das Zutatenverzeichnis, die Angabe von Allergenen, die Nettofüllmenge, die Bezeichnung des Lebensmittels (Art. 9, Art. 10 LMIV) erfasst, sondern auch alle anderen auf den Verpackungen oder Etiketten aufzudruckenden Pflichtangaben, die sich aus anderen europäischen Lebensmittelvorschriften ergeben, wie z.B. die Bio-Zertifizierungsnummer des Herstellers oder die Angabe des Fruchtsaftgehalts bei einem Fruchtnektar.
Informationen müssen vor dem Bestell-Button erteilt werden
Diese Informationen müssen vor dem Abschluss des Kaufvertrages verfügbar sein, also vor dem Drücken des Bestell-Buttons, der eine Kostenpflicht auslöst. Ob die Informationen bei der Produktbeschreibung neben dem Produkt oder per Link abrufbar sind, ist nicht entscheidend. Wichtig ist jedoch, dass die Pflichtinformationen gut wahrnehmbar und nicht an versteckter Stelle angebracht werden.
Auch ein jüngst ergangenes Urteil des LG Berlin vom 12.06.2015 beschäftigt sich mit der Problematik der rechtzeitigen Lebensmittelinformationen im Fernabsatz (Az. 102 O 15/15). Das Gericht hat entschieden, dass ein Anbieter von Lebensmitteln, der seine Produkte im Fernabsatz vertreibt, verpflichtet ist, bestimmte Produktinformationen bereits im Zusammenhang mit seinem Kaufangebot, also vor der Bestellung, vorzuhalten. Der Verbraucher soll seine Kaufentscheidung im Fernabsatz auf der gleichen Grundlage fällen können wie im Supermarkt, urteilten die Richter. Die Bereitstellung der Pflichtinformationen zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware reiche nicht aus, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.
Nach den Beobachtungen der Wettbewerbszentrale werden die Vorgaben der LMIV im Onlinehandel allerdings noch nicht durchgängig umgesetzt:
Zum Teil fehlen die Angaben nach der LMIV komplett. In einigen Fällen werden falsche Angaben verwendet oder die Informationen so angegeben, dass sie für die Verbraucher nicht hinreichend wahrnehmbar sind. Fehler unterlaufen auch bei der Bezeichnung des Lebensmittels, wenn der Markenname mit dieser verwechselt wird. Zudem wird verkannt, dass auch die Anschrift des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers zu nennen ist. Bei Importwaren wie Spirituosen und Weinbauerzeugnissen wird häufig der außereuropäische Hersteller bzw. Abfüller statt des in der EU ansässigen Einführers angegeben. Die Allergenkennzeichnung weist ebenfalls häufig Mängel auf. Die Allergene müssen im Zutatenverzeichnis deutlich gegenüber dem Rest der Zutaten hervorgehoben werden oder, wenn kein solches vorgeschrieben ist, mit „enthält …“ angegeben werden. In den meisten Fällen können die Verfahren der Wettbewerbszentrale außergerichtlich beendet werden. Nur in einem Fall führt die Wettbewerbszentrale beim LG München einen Prozess gegen einen Pralinen- und Schokoladenanbieter wegen der unzureichenden Information über die Waren im Fernabsatz (LG München, Az. 33 O 12059/15).
Pflicht zur Allergenkennzeichnung (Sulfit) bei Weinen
Die Wettbewerbszentrale erhält des Weiteren wiederholt Hinweise und Anfragen wegen einer fehlenden Allergenkennzeichnung (Sulfit) bei Weinen. Die Pflichtinformationen bei Wein, die nach Art. 14 LMIV anzugeben sind, richten sich überwiegend nach der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 >>. Diese gehen den Angaben der LMIV im Zweifel vor (vgl. Art. 118 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 1308/2013). So ist z.B. statt dem Lebensmittelunternehmer, der das Lebensmittel in seinem Namen vertreibt, der Abfüller anzugeben (Art. 119 Abs. 1 lit. e). Auch die Angabe des Alkoholgehaltes richtet sich nicht nach der LMIV, sondern nach Art. 119 Abs. 1 lit. c). Für den Sulfithinweis ergeben sich Sondervorschriften aus Art. 51 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607/2009 in der Fassung der Änderungsverordnung (EU) Nr. 579/2012 >>.
Das LG Trier hat in diesem Zusammenhang laut einer Pressemitteilung vom 29.07.2015 >> die Pflicht zur Angabe der Sulfitkennzeichnung im Fernabsatzhandel mit Weinen gegenüber Verbrauchern im einstweiligen Verfügungsverfahren (ohne Gründe) bestätigt (Beschluss vom 08.07.2015, Az. 7 HK O 41/15).
Weiterführende Informationen
Jahresbericht 2014 der Wettbewerbszentrale >>
Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 >>
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 >>
Änderungsverordnung (EU) Nr. 579/2012 >>
Pressemitteilung des LG Trier >>
(u.a. F 8 0066/15; F 8 0113/15; F 8 0127/15; M 4 0046/15; M 4 0063/15)
ad/sb
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