Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) stellt eine Zunahme von Wettbewerbsstreitigkeiten im Bereich des Gesundheitswesens fest. Die Anzahl der Beschwerden hat im letzten Jahr um ca. 10% im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Diese Steigerung führt die Wettbewerbszentrale auf den Kostendruck und den härteren Wettbewerb – insbesondere der Krankenkassen – zurück. Im letzten Jahr wurden ca. 2.000 Beschwerden und Anfragen aus dem Gesundheitsbereich an die Wettbewerbszentrale herangetragen. In 68 Fällen wurden Gerichtsverfahren eingeleitet.
Die Mehrzahl der Beschwerden betraf den Apothekenbereich. Der Versandhandel von Arzneimitteln, der aus Verbraucherschutzgründen nach wie vor in Deutschland verboten ist, beschäftigte die Wettbewerbszentrale mehrfach. Die Fälle betrafen u.a. den Bezug von Arzneimitteln per Internet und aus dem Ausland. In zwei Fällen mussten die Gerichte auf Initiative der Wettbewerbszentrale Apothekern den Versandhandel mit Impfstoffen untersagen. Während der eine Apotheker Justizvollzugsanstalten belieferte, warb der andere Apotheker bundesweit bei Ärzten für den Versand von Impfstoffen und versandte die Präparate dann auch quer durch die Republik, was ihm neben seiner eigentlichen Tätigkeit noch Millionenumsätze verschaffte.
„Der Kampf der Krankenkassen um neue Mitglieder wird mit immer härteren Bandagen geführt,“ erläuterte Rechtsanwältin Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale bei ihrem Pressegespräch. Mittlerweile machten Beschwerden gegen Krankenkassen ca. ein Drittel der Beschwerdefälle im Gesundheitswesen aus. Eine besondere Variante der Mitgliederwerbung untersagte das OLG Stuttgart mit Urteil vom 15. Juni 2001 (2 U 201/00) einer großen gesetzlichen Krankenkasse. Die Kasse und eine Sparkassenversicherung wollten sich gegenseitig bei der Akquisition von Kunden unterstützen. Beide Kooperationspartner sollten sich wechselseitig weiterempfehlen. Für die erfolgreiche Vermittlung von neuen Versicherungsverträgen für die Krankenkasse sollten die Mitarbeiter der Sparkasse Provisionen erhalten, im umgekehrten Fall ebenso die Mitarbeiter der Krankenkasse. Das OLG vertrat die Ansicht, die Vermittlung von Versicherungsverträgen zähle nicht zu den gesetzlichen Aufgaben einer Krankenkasse und sei damit wettbewerbs-widrig.
Um den Verbraucher zum Eintritt in die eigene Kasse zu bewegen, wird in vielen Fällen mit irreführenden Beitragssätzen, verbunden mit Seitenhieben auf den Mitbewerber, geworben.
So warb etwa eine Betriebskrankenkasse blickfangmäßig mit einem durchschnittlichen Beitragssatz der letzten Jahre von 12,0%, ohne in dem vierseitigen Werbeprospekt auch nur einmal den aktuellen Beitragssatz von 12,9% zu erwähnen. Eine andere Kasse schrieb ganz gezielt die Mitglieder des Mitbewerbers an, der kurz zuvor den Beitragssatz erhöht hatte. Sie pries sich als „günstige Alternative“ an, ohne den eigenen Beitragssatz zu erwähnen. Dass es sich hier in Wahrheit um die teurere Alternative handelte, zeigte ein Blick in den Internetauftritt der so werbenden Kasse – ihr Beitrag lag sogar noch höher als der des Konkurrenten, dem die Mitglieder „abspenstig“ gemacht werden sollten.
Ca. jede vierte Beschwerde betrifft die Werbung von Ärzten und Kliniken. Die Bandbreite reicht hier von reißerischer Werbung einzelner Ärzte in Zeitungsberichten bis hin zu irreführenden Arztbezeichnungen oder Verstössen gegen die speziellen Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes.
Auch die gestiegene Nachfrage nach schönheitschirurgischen Leistungen spiegelt sich in den Beschwerden wider. Der Bad Homburger Verband forderte mehrere Ärzte zur Unterlassung auf, die unter der Bezeichnung „Plastische Chirurgie“ auftraten, ohne tatsächlich über die Facharztbezeichnung zu verfügen. In einer Vielzahl von Fällen ging die Wettbewerbszentrale gegen Ärzte vor, die für eine Faltenbehandlung mit dem verschreibungspflichtigen Medikament Botox warben. Botox wird vermehrt in der Schönheitschirurgie als schmerzfreies und komplikationsloses Präparat angepriesen, ohne den beeindruckenden Katalog der Nebenwirkungen zu erwähnen. Aus gutem Grund ist daher die Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente gegenüber Verbrauchern verboten.
Neben der Rechtsverfolgung gewinnt seit einigen Jahren die Beratung immer stärker an Bedeutung. Da der Beratungsbedarf nach Einschätzung der Wettbewerbszentrale in Zukunft steigen wird, bietet sie auch im Gesundheitsbereich vermehrt Seminare an. Bereits im April findet eine Seminarreihe „Wettbewerbsrecht für Apotheker“ statt.
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