Aktuelle Rechtslage setzt Spielregeln gegen unlauteren Wettbewerb bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) außer Kraft – Gesetzgeber muss dringend nachbessern und im Rahmen der Gesundheitsreform für fairen Wettbewerb sorgen:
Die Wettbewerbszentrale hatte ein Marketing-Konzept der nach eigenen Angaben größten Versandapotheke Deutschlands, der Sanicare-Apotheke, als wettbewerbswidrig beanstandet. Das Konzept sieht die Einschaltung von Krankenkassen zur Gewinnung neuer Kunden vor. Die Apotheke bietet Krankenkassen so genannte Zuzahlungs-Gutscheine zur Weiterverteilung an die Versicherten an. Diese können die Gutscheine dann mit der Einsendung ihrer Rezepte bei der Versandapotheke einlösen. Laut Ankündigung von Sanicare wird die gesamte gesetzliche Zuzahlung für rezeptpflichtige Medikamente mit dem Gutschein verrechnet. Die Wettbewerbszentrale hatte diese Werbemaßnahme u. a. kritisiert, weil die zur Neutralität verpflichteten Krankenkassen als Werbebotschafter zu Gunsten von Sanicare eingesetzt werden. Zudem geht bei einem Zuzahlungsverzicht die Steuerungswirkung verloren – dem Verbraucher ist es gleichgültig, ob er ein günstigeres oder teureres Medikament bekommt, weil er die Zuzahlung sowieso nicht tragen muss.
Das Landgericht Osnabrück hatte bereits mit Urteil vom 26.09.2006 – Az. 18 O 487/06 – den Antrag der Wettbewerbszentrale zurückgewiesen, der Apotheke die Gutschein-Aktion zu untersagen. Das Gericht hatte sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs berufen, wonach Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen, allein nach sozialrechtlichen Vorschriften zu beurteilen seien, nicht aber nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
Dieser Auffassung schloss sich nunmehr auch das Oberlandesgericht Oldenburg an. Mit Schreiben vom 30. November 2006 teilte der Senat der Wettbewerbszentrale mit, dass zwar für einen Gesetzesverstoß einiges spreche, die Anwendung des zivilrechtlichen Wettbewerbsrechts aber durch § 69 SGB V ausgeschlossen sei. Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer seien nur nach sozialrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (Az. 1 U 93/06). Die Wettbewerbszentrale hat daher ihre Berufung zurückgenommen.
Damit bestätigt sich der Trend der Rechtsprechung, Werbemaßnahmen, an denen Krankenkasse beteiligt sind, dem Wettbewerbsrecht zu entziehen. Bereits der Bundesgerichtshof hat Anfang des Jahres 2006 entschieden, dass die Vorschrift des § 69 SGB V es ausschließe, Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen. Es ging in dem Fall um eine Betriebskrankenkasse, die in ihrer Mitgliederzeitung Gutscheine für kostenlosen Blutdruck- und Blutzuckermessung abdruckte, die die Mitglieder in einer bestimmten Apotheke einlösen konnten (BGH, Urteil vom 23.02.2006, Az. I ZR 164/03, WRP 2006, S. 747).
Die Wettbewerbszentrale hält diese Entwicklung für fatal: In einem äußerst wichtigen Marktsegment, in dem bereits starker Wettbewerb herrscht und – wie die Gesundheitsreform der großen Koalition zeigt – Wettbewerb gefördert und gestärkt werden soll, bleiben die seit Jahrzehnten bewährten Regeln des Wettbewerbsrechts außen vor. Hier muss der Gesetzgeber dringend nachbessern und sicherstellen, dass auch bei Werbemaßnahmen im Gesundheitsbereich die Marktverhaltens- und Fairnessregeln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gelten. Nur so ist gewährleistet, dass lauterer Wettbewerb funktioniert und unlautere Methoden zum Schutz von Versicherten und Anbietern schnell und effektiv unterbunden werden können.
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