An die Werbung mit einem TÜV-Zertifikat für geprüfte Abrechnungsgenauigkeit sind hohe Anforderungen zu stellen. Das Landgericht Berlin hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale ein Unternehmen, das mit einem solchen Siegel warb, trotz Hinweises auf die abgelaufene Gültigkeit zur Unterlassung verurteilt (LG Berlin, Urteil vom 07.12.2021 – 103 O 110/20; nicht rechtskräftig; HH 3 0191/20).
Das beklagte Energieversorgungsunternehmen warb in einem persönlich adressierten Kundenanschreiben mit einem Siegel des TÜV Saarland über geprüfte Abrechnungsgenauigkeit. Unter dem Siegel war der Verweis angebracht: „Gültig bis 25.06.2020“. Das Werbeschreiben wurde nach diesem Zeitpunkt versandt. Die Wettbewerbszentrale hat diese Werbung als irreführend beanstandet. Das Landgericht Berlin ist ihr darin gefolgt. Mit der Herausstellung eines TÜV-Zertifikats, das die entsprechende Qualifikation zum Gegenstand habe, bringe die Beklagte konkludent zum Ausdruck, dass diese zum Zeitpunkt des Schreibens bestehe und nicht einen vergangenen Zeitraum betreffe. Die hier durch das TÜV-Unternehmen bestätigte Abrechnungsgenauigkeit könne nicht als fortlaufend bestehend unterstellt werden, sondern müsse immer neu belegt werden.
Die Irreführung werde auch nicht durch den klarstellenden Hinweis „Gültig bis 25.06.2020“ unterhalb des Logos beseitigt. Denn das TÜV-Logo trete hier blickfangmäßig hervor und erwecke unabhängig vom genauen Inhalt der zugrundeliegenden Prüfung bei den angesprochenen Verkehrskreisen abstrakte Gütevorstellungen. Auf den Gegenstand der Prüfung (hier: Abrechnungsgenauigkeit) komme es danach nicht mehr zwingend an, sodass ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise den ggfs. weiter erläuternden Text um das Logo herum ohnehin nicht mehr beachten werde. Niemand rechne ernsthaft damit, dass mit einer tatsächlich nicht mehr gültigen Zertifizierung geworben werden könnte, das ergebe objektiv keinen Sinn.
Werbung mit abgelaufenem „Metallzert“-Siegel
Auch in einem weiteren Fall musste die Wettbewerbszentrale wegen Werbung mit einer abgelaufenen Zertifizierung tätig werden. So warb ein Metallbau-Unternehmen auf seiner Homepage mit dem Siegel „Metallzert“. Ein Zertifizierungsvertrag bestand zum Zeitpunkt der Werbung aber nicht mehr. Die Wettbewerbszentrale beanstandete auch dies als irreführende Werbung, sowie als Verstoß gegen Ziff. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Die angesprochenen Verkehrskreise erwarten bei einer solchen Werbung nach Auffassung der Wettbewerbszentrale, dass im Falle der Abbildung des Zertifikates eine gültige aktuelle Zertifizierung vorliegt, die insbesondere auch die entsprechenden regelmäßigen Überprüfungen durch die zertifizierende Stelle belegt wird. Im Gerichtsverfahren verpflichtete sich das beklagte Unternehmen im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs zur Unterlassung (F 5 0329/21).
Weiterführende Informationen
Bitte beachten Sie auch den Artikel unserer Kollegin Christiane Köber:
„Rechtliche Fallstricke vermeiden: Werbung mit Testurteilen, Zertifikaten & Co.“
mb
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