In gleich vier Fällen hat die Wettbewerbszentrale bestandet, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern jeweils eine konkrete Krankenkasse empfohlen hatten:
Die Deutsche Post AG hatte neue Mitarbeiter angeschrieben und diese auf eine konkret benannte Krankenkasse hingewiesen, die mit über neun Millionen Versicherten eine der ganz großen Krankenversicherungen Deutschlands und außerdem zuverlässiger Partner sei. In dem Brief wurde an die Solidarität der Mitarbeiter appelliert („Gemeinsam erreichen wir mehr!“), und schließlich konnte der Arbeitnehmer auf einem Formblatt gleich ankreuzen, dass er an Angeboten der betreffenden Krankenkasse interessiert sei.
In weiteren Fällen hatten zwei Hotel- und Gaststättenverbände ihren Fachkräfte suchenden Mitgliedern folgendes Angebot unterbreitet: Man könne über eine Krankenkasse (auch sie wurde namentlich benannt) und deren Kontakte zu Headhuntern in Osteuropa Personal besorgen. Voraussetzung für Hotel oder Gaststätte sei: Der Mitarbeiter wird über diese Krankenkasse versichert.
Im vierten Fall verwies eine Personalvermittlungsfirma darauf, dass eine bestimmte Kasse ihr Partner sei, mit der das Unternehmen seit Jahren gut zusammenarbeite. Ein Großteil der Mitarbeiter sei bereits dort versichert. Auch das stellt in den Augen neuer Mitarbeiter die Empfehlung dar, in diese Krankenkasse zu wechseln.
Die Rechtslage
Arbeitnehmer können frei wählen, bei welcher Krankenkasse sie sich versichern lassen möchten (§§ 173 bis 175 SGB V). Arbeitgeber können sachlich über verschiedene Krankenkassen informieren. Druck ausüben – sei es durch eine direkte Empfehlung, sei es indirekt durch den Appell an den Solidargedanken, durch Prämien oder durch die Beifügung von Kündigungsunterlagen – dürfen sie nicht. Denn nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts ist es unzulässig, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers unangemessen zu beeinflussen. Eine solch unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn ein Unternehmer seine Machtposition ausnutzt (§ 4a Absatz 1 UWG). Eine solche Machtposition wird von den Gerichten im Regelfall im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer angenommen. Denn letzterer wird zur Vermeidung etwaiger Nachteile in den meisten Fällen der Krankenkassenempfehlung seines Arbeitgebers folgen.
Beanstandungen der Wettbewerbszentrale erfolgreich
Alle genannten Unternehmen haben sich nach Beanstandung durch die Wettbewerbszentrale mittlerweile verpflichtet, die Werbung für eine bestimmte Krankenkasse zu unterlassen und die Wahlfreiheit der Arbeitnehmer zu respektieren.
Bei den geschilderten Fällen handelt es sich nicht um Einzelfälle: Die Wettbewerbszentrale hat in der Vergangenheit zum Beispiel einen Autohersteller angeschrieben, der ausdrücklich den Eintritt in die eigene BKK empfohlen hatte. Unterschrieben war der Appell vom Personalleiter und vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden. Beigefügt war zugleich eine Beitrittserklärung. Im darauffolgenden Jahr warb der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer für eine Anmeldung der Saisonkräfte bei einer Ersatzkasse, weil diese eine Wechselprämie gewährte. In beiden Fällen verpflichteten sich die Werbenden zur Unterlassung. Ein Universitätsklinikum gab dagegen erst im laufenden Prozess eine Unterlassungserklärung ab. Die Wettbewerbszentrale hatte geklagt, weil das Klinikum sein Personal zum Wechsel in eine bestimmte Krankenkasse aufgefordert hatte.
„Wir gehen davon aus, dass es sich hier nur um die Spitze des Eisbergs handelt, weil es viele Arbeitnehmer – aus guten Gründen – nicht wagen, sich über ihren „Brötchengeber“ zu beschweren.“, so Christiane Köber, bei der Wettbewerbszentrale zuständig für den Gesundheitsbereich. „Derartige Aktionen seitens der Unternehmer beschneiden nicht nur die Rechte der Arbeitnehmer auf freie Krankenkassenwahl, sondern verzerren mittelfristig auch den Wettbewerb unter den Krankenkassen.“
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb.
Kontakt:
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs
Frankfurt am Main e.V.
Christiane Köber
Landgrafenstr. 24 B
61348 Bad Homburg
Tel.: 06172-121520
E-Mail: koeber@wettbewerbszentrale.de
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater
-
Rückblick: 14. Gesundheitsrechtstag
-
BGH: Händedesinfektionsmittel darf nicht mit „hautfreundlich“ beworben werden
-
KG Berlin: Kostenlose ärztliche Behandlungen sind „Zugabe“ im Sinne des Heilmittelwerberechts und damit wettbewerbswidrig