Seit dem Herbst 2010 bietet Tchibo, Deutschlands größter Kaffeeröster, auch Ökostrom und Gas an. Mit Umwelt- und insbesondere auch mit Preisargumenten sollen seitdem interessierte Verbraucher zu einem Wechsel zu Tchibo motiviert werden.
So wurde Ende 2011 in der Werbung auf der firmeneigenen Webseite als ein „Vorteil“ des Bezugs von Ökostrom oder Gas über das Hamburger Unternehmen eine Preisgarantie über einen Zeitraum von 12 Monaten herausgestellt („12 Monate Preisgarantie“). Eine solche Preisgarantie ist auf dem Strommarkt nicht unüblich. Wettbewerbsrechtlich problematisch ist sie aber dann, wenn die Preisgarantie unter dem Vorbehalt erheblicher schwankender bzw. steigender variabler Kostenanteile steht, darauf in der Werbung jedoch nicht hingewiesen wird. Denn der Begriff „Preisgarantie“ vermittelt den Eindruck fester Preiskonditionen für den von der Garantie erfassten Zeitraum.
Erst kürzlich hat in einem Fall der Bewerbung eines Stromtarifs mit den Begriffen „Festpreis“ und „Preissicherheit“ das Oberlandesgericht Hamm eine Irreführung angenommen (OLG Hamm, Urteil vom 08.11.2011, Az. I-4 U 58/11). Der „Festpreis“ war zwar im Rahmen eines Sternchenhinweises wie folgt erläutert worden: „Ausgenommen sind Änderungen durch Umsatz- und/oder Stromsteuer und eventuelle neue Steuern sowie durch Änderungen der Erneuerbaren-Energie-Gesetz-Umlage.“ In dieser Erläuterung sah das Gericht aber keine ausreichende Information darüber, dass damit ganz erhebliche Preisbestandteile von der Preisbindung ausgenommen waren, zumal die variablen Preisbestandteile mehr als 40 % des Gesamtpreises ausmachten.
Ähnlich verhielt es sich im vorliegenden Fall. Denn in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Tchibo für die Belieferung von Haushaltskunden mit Strom wurde folgende Klausel verwendet:
„Wenn mit dem Kunden eine Preisgarantie vereinbart ist, kann der vereinbarte Preis während der Dauer der Preisgarantie nur geändert werden, wenn es zu einer Änderung von Steuern, insbesondere des Umsatzsteuer- bzw. des Stromsteuersatzes, der Einführung von Steuern oder einer Änderung sonstiger gesetzlicher Abgaben, sowie Umlagen aus dem KWKG und dem EEG in ihrer jeweils geltenden Fassung, kommt.“
Eine entsprechende Änderungsklausel fand sich auch in den AGB zur Belieferung von Haushaltskunden mit Gas. Auch die durch diese Klauseln von der Preisbindung ausgenommenen variablen Kostenanteile machten einen ganz erheblichen Teil des Gesamtpreises aus, bei Strom etwa 40 %.
Die Werbung mit „12 Monate Preisgarantie“ stand folglich im Widerspruch zu der in den AGB vorgesehenen möglichen Anpassung der variablen Kostenanteile und verstieß somit gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG. Der Hinweis auf die mögliche Preisänderung im Rahmen der AGB, also außerhalb der Werbung, war nicht geeignet, diese Irreführung auszuräumen.
Die Wettbewerbszentrale hat im Dezember 2011 eine Abmahnung ausgesprochen. Tchibo hat zur Erledigung der Sache eine vertragsstrafengesicherte Unterlassungserklärung abgegeben. Darüber hinaus wurden die AGB überarbeitet. Bezüglich der Belieferung mit Strom heißt es dort nun: „Eine Preisanpassung innerhalb einer zugesicherten Preisgarantie erfolgt nicht.“ Was den Bezug von Gas anbelangt, so findet sich dort jetzt folgende Formulierung: „Der Gaspreis ist zunächst für den im Auftrag angegebenen Zeitraum, nebst Nebenkosten, fest vereinbart (Preisgarantie).“
Im Ergebnis trägt Tchibo innerhalb der vereinbarten Garantie nun also das komplette wirtschaftliche Risiko für tatsächliche Erhöhungen der variablen Preisbestandteile.
(HH 1 0650/11)
sk
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