Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte in zwei gleichgelagerten Verfahren über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Werbung mit einer sogenannten umgekehrten Versteigerung eines gebrauchten PKW zu entscheiden.
Die einen Handel mit Kraftfahrzeugen betreibenden Beklagten boten unter „Autoversteigerung“ jeweils einen Gebrauchtwagen zum Kauf an mit dem Hinweis „Dieses Auto kommt unter den ‚Hammer‘. In jeder Woche, in der das Auto nicht verkauft wird, fällt der Preis um 300,– DM. Aber warten sollten Sie nicht zu lange.“
Der Kläger, ein Wirtschaftsverband, hat die Werbung als wettbewerbswidrig beanstandet, weil sie mit der Methode einer „umgekehrten Versteigerung“ die Spiellust der angesprochenen Interessenten in übertriebener Weise zur Absatzförderung ausnutze.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einer Sache die auf Unterlassung der Werbung gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln hat in einer anderen Sache dem Unterlassungsbegehren stattgegeben.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß weder der Einsatz von Elementen der Wertreklame im Rahmen einer Werbeanzeige noch die hiervon möglicherweise ausgehenden sogenannten aleatorischen (spielerischen) Reize für sich alleine ausreichten, um eine Werbemaßnahme als unlauter i.S. von § 1 UWG erscheinen zu lassen. Der Gewerbetreibende sei in seiner Preisgestaltung grundsätzlich frei und könne seine allgemein angekündigten Preise zu jedem ihm sinnvoll erscheinenden Zeitpunkt erhöhen oder senken, sofern keine Preisvorschriften oder unlauteren Begleitumstände (z.B. zur Verschleierung von verlangten „Mondpreisen“) vorlägen. Wettbewerbswidrig sei eine Werbung erst dann, wenn der Einsatz der aleatorischen Reize dazu führe, daß ein Kaufentschluß nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten „Gewinnchance“ bestimmt werde.
Dies sei bei der zu beurteilenden Werbung nicht der Fall. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher werde angesichts der beträchtlichen Investition erfahrungsgemäß nicht von einer Prüfung der Preiswürdigkeit des beworbenen Angebotes absehen und sich nicht wegen des „Spiels“ zu einem Kauf verleiten lassen.
Soweit sich aus dem Urteil des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 20. März 1986 (I ZR 228/83, GRUR 1986, 622 = WRP 1986, 381 – Umgekehrte Versteigerung I) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat daran mit Blick auf das Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers nicht mehr fest.
Urteile vom 13. März 2003 – I ZR 146/00 und I ZR 212/00
Karlsruhe, den 17. März 2003
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