Eine außergerichtliche Einigung zur Beilegung einer Wettbewerbsstreitigkeit hat die Wettbewerbszentrale jüngst im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens erzielt:
Ein Diplom-Ingenieur (FH) hatte in den Kopfzeilen seines Briefbogens neben dem Hinweis „Beratender Ingenieur für Tragwerksplanung“ sowie „Dekra-Zertifizierter Bauschadenbewerter“ geworben mit der Bezeichnung
„IHK-gepr. Sachverständiger für Schäden an Gebäuden“
Im Rahmen der Unterschriftsleistung verwendete er den Hinweis wie folgt
„IHK geprüfter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden“
Damit wurde nach Auffassung der Wettbewerbszentrale der Eindruck erweckt, der betreffende Sachverständige habe eine Prüfung vor einer Industrie- und Handelskammer absolviert.
Tatsächlich hatte dieser bei einer „Wirtschaftsakademie“, die in der Rechtsform einer GmbH verschiedene Lehrgänge anbietet, an einer „Weiterbildungsveranstaltung Sachverständige/r für Bauschäden“ teilgenommen und mit Erfolg den lehrgangsinternen Test absolviert.
Die ihm seinerzeit ausgehändigte Teilnahmebescheinigung dokumentiert jedoch nicht die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „IHK-gepr. Sachverständiger für Schäden an Gebäuden“ und/oder „IHK geprüfter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden“. Zudem war eine Industrie- und Handelskammer in die Weiterbildungsveranstaltung nicht eingebunden, auch nicht als prüfende Institution.
Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale lag darin Verstoß gegen das Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 UWG) und damit auch eine unlautere irreführende geschäftliche Handlung (§ 3 Abs. 1 UWG). Da der Sachverständige sich mit seinem Briefbogen auch an Verbraucher richtet und die beanstandete Bezeichnung nicht der unternehmerischen Sorgfalt entspricht und dazu geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen, liegt aus Sicht der Zentrale ein weiterer Lauterkeitsverstoß (§ 3 Abs. 2 UWG) vor.
Hinweis:
Selbst wenn der Werbende eine entsprechende „IHK-Prüfung“ absolviert hätte, hätte er die zuständige Industrie- und Handelskammer namentlich bennenen müssen. Denn bei jeglichen Prüfungen, Anerkennungen, Bestellungen und Zertifizierungen ist neben dem Sachgebiet immer auch die prüfende, anerkennende, bestellende oder zertifizierende Institution derart zu benennen, sodass dort Nachforschungen über den Betrieb angestellt werden können. Das vor allem auch vor dem Hintergrund, dass es knapp 80 Industrie- und Handelskammern in der Bundesrepublik Deutschland gibt.
Der – anwaltlich vertretene – Sachverständige war zunächst nicht bereit, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Erst im anschließenden Einigungsstellenverfahren hat er sich verpflichtet, künftig nicht mehr mit den genannten Bezeichnungen wort- oder inhaltsgleich zu werben, sofern dies nicht den Tatsachen entspricht. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass in einem solchen Güteverfahren bei den Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten, die bei den Industrie- und Handelskammern eingerichtet sind, außergerichtliche Lösungen erzielt werden können und damit die staatliche Gerichtsbarkeit entlastet wird.
Hintergrund Einigungsstellenverfahren:
Diese Gütestellen sind besetzt wie eine Kammer für Handelssachen beim Landgericht, nämlich mit einem Volljuristen der in Wettbewerbssachen erfahren ist und zwei Beisitzern die in der Regel aus der Wirtschaft kommen. Ein Vorteil dieses Verfahrens liegt unter anderem darin, dass beide Parteien sich selbst vertreten können, d.h. kein Anwaltszwang – wie bei den Landgerichten – besteht. Ein weiterer Vorteil ist, dass keine Gerichtskosten anfallen. Ein Nachteil dieses Verfahrens kann sein, dass die Einigungsstelle kein Urteil fällen kann, sondern die Parteien sich nur freiwillig vergleichen können. Kommt ein Vergleich zustande, stellt dieser ebenso wie ein rechtskräftiges Urteil einen sog. vollstreckbaren Titel dar.
Weiterführende Informationen
News v. 04.06.2018 // Sachverständigenwerbung mit Siegel „IHK geprüft“ und „IHK zertifiziert“ >>
M 01 0115/22
ao
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