Die Wettbewerbszentrale lässt derzeit in zwei Grundsatzverfahren durch den BGH klären, ob für Desinfektionsmittel mit Aussagen wie „hautfreundlich“, „sanft zur Haut“ und ähnlichen Aussagen geworben werden darf.
Werbebeschränkungen für Desinfektionsmittel
Zum rechtlichen Hintergrund: Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich meist um Biozide. Die Werbung für diese Produktgruppe ist in der Biozidverordnung geregelt (Art. 69 und 72 BiozidV). Bestimmte Aussagen sind sowohl für die Etiketten als auch für die sonstige Werbung unzulässig, so z. B. „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential“ oder „umweltfreundlich“. Darüber hinaus sind aber auch außerhalb dieser Schwarzen Liste verwendete „ähnliche“ Hinweise unzulässig. Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass es sich bei Bioziden um Produkte handelt, die Schädlinge abtöten, damit aber auch negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können. Die Produkte sollen daher in der Werbung nicht verharmlost werden. Umstritten ist, wann ein solch „ähnlicher“ und damit unzulässiger Hinweis vorliegt.
OLG Karlsruhe: Bezug zur Hautfreundlichkeit ist keine pauschal verharmlosende Aussage
Das OLG Karlsruhe hat aktuell die Berufung der Wettbewerbszentrale gegen eine Entscheidung des LG Mannheim zurückgewiesen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.11.2022, Az. 6 U 322/21, nicht rechtskräftig; LG Mannheim, Urteil vom 20.10.2021, Az. 14 O 107/21). Mit dem Verfahren wollte die Wettbewerbszentrale klären lassen, ob die Aussagen „sanft zur Haut“, „hautfreundliche Produktlösung“ oder „Hautverträglichkeit“ in der Werbung für einen Desinfektionsschaum zulässig sind. Die Wettbewerbszentrale hatte geltend gemacht, die Aussagen seien gleichbedeutend mit den nach Art. 72 Abs. 3 genannten, per se verbotenen Aussagen wie „ungiftig“ oder „unschädlich“. Jedenfalls werde das niedrige Risikopotential herausgestellt. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht sahen das anders: Die Aussagen seien den per se verbotenen nicht ähnlich; sie relativierten das Risikopotential des Produktes oder seiner Wirkungen und deren Schädigungseignung nicht pauschal. Vielmehr beschrieben die Aussagen – wenn auch insoweit sehr allgemein – die Produktwirkung auf ein spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen. Das sei zulässig. Die Wettbewerbszentrale wird Revision einlegen.
BGH verhandelt am 23.02.2023 zu „hautfreundlich“
Bereits im Sommer hatte das OLG Karlsruhe mit der oben geschilderten Begründung entschieden, dass der Begriff „hautfreundlich“ kein „ähnlicher“ und damit unzulässiger Begriff im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 BiozidV sei. Die Angabe „Bio“ oder die Bezeichnung als „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“ hielt das Gericht aber mit Blick auf die Ähnlichkeit mit den generell verbotenen Aussagen wie “umweltfreundlich“ oder „natürlich“ für unzulässig und damit auch wettbewerbswidrig. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.06.2022, Az. 6 U 95/21). Die Wettbewerbszentrale hat Revision eingelegt, um für die betroffenen Branchen Rechtssicherheit zu erlangen. Der BGH wird in dieser Sache bereits am 23. Februar 2023 verhandeln (Az. beim BGH: I ZR 108/22).
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitswesen >>
F 4 0214/21; F 4 0289/20
ck
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