Der Bundesgerichtshof hat mit dem jüngst veröffentlichten Urteil vom 15.07.2010, Az. I ZR 123/09, entschieden, dass das Verbot für Stoffe, die den Lebensmittel-Zusatzstoffen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) gleichgestellt sind, europarechtswidrig ist.
In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Stoffe Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat in einem Nährungsergänzungsmittel (hier: Orthoexpert Gelenknahrung) verwendet und vertrieben werden dürfen: Ein Konkurrent des Nährungsergänzungsmittelherstellers war der Ansicht, dass es sich bei diesen Stoffen entweder um einen Arzneistoff oder um ernährungsphysiologischen Zwecken dienende Lebensmittel-Zusatzstoffe handele. Diese dürften ebenso wie aus technologischen Gründen zugesetzte Zusatzstoffe nicht ohne entsprechende Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Ein Vertrieb sei daher wettbewerbswidrig. Der Hersteller des streitgegenständlichen Nahrungsergänzungsmittels wendete gegen die Klage ein, dass es sich bei den beiden Stoffen um charakteristische Zutaten handele. Zumindest sei das in Deutschland bestehende Verbot mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar.
Das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 11.06.2009, Az. 3 U 125/08) hat festgestellt, dass kein Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs besteht, weil die Verwendung der Stoffe sicher ist und damit nicht unlauter. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass der Vertrieb des Nahrungsergänzungsmittels nicht wettbewerbswidrig ist, weil ein Verbot im Hinblick auf das vorrangig anzuwendende Gemeinschaftsrecht nicht gerechtfertigt ist. Zwar sei mangels Ausführungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass das In-Verkehrbringen von Nahrungsergänzungsmitteln mit den beiden Stoffen grundsätzlich unzulässig sei. Dennoch sei der Vertrieb im Ergebnis erlaubt, da die nationale Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB nicht mit der vorrangig anzuwendenden Vorschrift des Art. 14 Abs. 9 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (BasisVO) vereinbar sei. Nach der Vorschrift stehe die Anwendung nationaler Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit unter dem Vorbehalt, dass sie mit dem primären Unionsrecht, insbesondere mit den Art. 34 und 36 AEUV, vereinbar seien. Diese Anforderungen erfülle § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB nicht. Ein generelles Verbot bestimmter Zutaten sei nicht zulässig. Zwar sei es grundsätzlich möglich, den Vertrieb eines Lebensmittels von einer vorherigen Genehmigung abhängig zu machen. Hierfür müsse jedoch ein leicht zugängliches und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abzuschließendes Verfahren vorgesehen sein.
Weiterführende Hinweise
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.07.2010, Az. I ZR 123/09 >>
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) >>
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Basis VO) >>
az
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