Nachdem der BGH mit Urteil vom 17.06.2015 (VIII ZR 249/14) entschieden hat, dass Verbrauchen bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Heizöl ein Widerrufsrecht zusteht, schien die Rechtslage zunächst geklärt. Im Rahmen der Verabschiedung der sog. Omnibus-Richtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht haben der EU-Gesetzgeber und der nationale Gesetzgeber allerdings Hinweise in die Erwägungsgründe bzw. die Gesetzesbegründung aufgenommen, die nach Auffassung der Wettbewerbszentrale klarstellen, dass Verträge über die Lieferung von Heizöl unter den Ausschlussgrund des § 312g Abs. 2 Nr. 8 BGB fallen. Dementsprechend geht die Wettbewerbszentrale davon aus, dass Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht (mehr) zusteht.
Die BGH-Entscheidung
Nach § 312 g Abs. 2 Nr. 8 UWG steht Verbrauchern kein Widerrufsrecht zu bei Verträgen „zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen (…), deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten, können (…)“. Für die Heizölbranche stellte sich die Frage, ob diese Ausnahmevorschrift auch Verträge über die Lieferung von Heizöl erfasst.
Während die Branche zunächst davon ausging, dass dies der Fall war, hat der BGH mit Urteil vom 17.06.2015 (VIII ZR 249/14) eine andere Auffassung vertreten. Das Gericht entschied im Hinblick auf die ähnlich lautende Vorgängernorm des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F., dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Heizöl nicht ausgeschlossen ist. Zwar räumte der BGH in der Entscheidungsbegründung ein, dass die Ausnahmevorschrift vom Wortlaut her Verträge über die Lieferung von Heizöl erfasst. Nach Auffassung des Gerichts ist die Norm als Ausnahmevorschrift allerdings eng auszuglegen. Nach ihrem Sinn und Zweck erfasse sie daher nur solche Verträge, bei denen der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht. Einen solchen spekulativen Kern weise der Ankauf von Heizöl durch den Verbraucher jedoch nicht auf.
Aktuelle Entwicklungen auf Gesetzgebungsebene
Angesichts der einschneidenden Konsequenzen dieser Entscheidung für die Heizölbranche bemühten sich Branchenvertreter in den Jahren nach dem Urteil, auf Gesetzgebungsebene eine Klarstellung zur teleologischen Auslegung der Ausnamevorschrift zu erreichen. Da mittlerweile über die Verbraucherrechte-Richtlinie in diesem Bereich eine Vollharmonisierung eingetreten war, setzten diese Bemühungen zunächst auf EU-Ebene an. So wurde in die sog. Omnibus-Richtlinie, die u.a. Änderungen der Verbraucherrechte-Richtlinie vorsieht (RL (EU) 2019/2161 vom 27.11.2019), der Erwägungsgrund 43 aufgenommen. Danach sollte die Ausnahme vom Widerrufsrecht nach Art. 16 Abs. 1 b der Verbraucherrechte-Richtlinie (der mit § 312 g Abs. 2 Nr. 8 BGB in nationales Recht umgesetzt wurde)
„auch für Verträge über Einzellieferungen nicht leitungsgebundener Energie als anwendbar gelten, da deren Preis von Schwankungen auf den Rohstoff- bzw. Energiemärkten abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können“.
Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Hinweis im Rahmen der Begründung zum Regierungsentwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes aufgegriffen (vgl. BT-Drs. 19/27655 v. 17.03.2021, S. 19). Konkret wird in der Gesetzesbegründung festgestellt, dass der Hinweis in Erwägungsgrund 43 keine Änderungen verlangt, da der Regelungstext der Verbraucherrechte-Richtlinie insoweit unberührt geblieben ist. In der Gesetzesbegründung heißt es weiter:
„Da der Preis für derartige Lieferungen von Schwankungen auf den Energie- beziehungsweise Rohstoffmärkten abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die während der Widerrufsfrist auftreten können, ist damit auch ohne Änderung des Regelungsteils klargestellt, dass in diesen Fällen das Widerrufsrecht des Verbrauchers gemäß § 312 g Absatz 2 Nummer 8 BGB ausgeschlossen ist. Der Bundesgerichtshof hatte dies im Hinblick auf den früheren § 312 d Abs. 4 Nummer 6 BGB noch anders entschieden (Urteil vom 17.06.2015 – VIII ZR 249/14, NRW 105, 2959).“
Das deutsche Umsetzungsgesetz ist am 17.08.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden.
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der Wettbewerbszentrale nunmehr hinreichend klargestellt, dass der Ausschlussgrund des § 312 g Abs. 2 Nr. 8 BGB nicht nur vom Wortlaut her, sondern auch nach seinem Sinn und Zweck auf Verträge über die Lieferung von Heizöl anwendbar ist und Verbrauchern bei diesen Verträgen also ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht (mehr) zusteht.
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Energie- und Versorgungswirtschaft >>
HH 2 0117/21
bb
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