Aktuell führt die Wettbewerbszentrale ein Verfahren, in dem es um die Werbung mit einem „Ärzte-Siegel“ geht: Das OLG München hatte in der Berufungsinstanz Termin zur mündlichen Verhandlung für den 11.07.2024 anberaumt (Az. 29 U 867/23). Dieser wurde nunmehr aufgehoben. Ein neuer Termin ist noch nicht bekannt. Zum Hintergrund:
Das Landgericht München I hatte im Februar 2023 dem beklagten Verlag auf Antrag der Wettbewerbszentrale untersagt, die Siegel „TOP Mediziner“ oder „Focus Empfehlung“ zu Werbezwecken anzubieten oder zur Verfügung zu stellen (Az. 4 HKO 14545/21 – nicht rechtskräftig). Mediziner können diese Siegel nach Zahlung einer Lizenzgebühr von 1.900 Euro werblich verwenden.
Die Wettbewerbszentrale hatte die Vergabe der Auszeichnungen „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ an Ärztinnen und Ärzte als irreführend kritisiert, weil der Eindruck erweckt wird, es habe eine Überprüfung nach objektiven Kriterien stattgefunden. Sie vertrat die Auffassung, es werde der unzutreffende Eindruck erweckt, die behauptete Spitzenstellung beruhe auf objektiven und nachprüfbaren Kriterien. Der Siegelvergabe lägen aber subjektive Kriterien wie die Bewertung durch Patienten, die Bewertung durch Kollegen und eine Selbstauskunft zugrunde.
Der Verlag berief sich unter anderem auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Die gelte nicht nur für die im Verlagsprodukt publizierten Ärztelisten, sondern erstrecke sich auch auf die Siegel. Die für die Erstellung der Ärztelisten herangezogenen Kriterien seien im Vergleich mit allen anderen verfügbaren Quellen die mit Abstand beste Grundlage für eine redaktionelle Empfehlung.
LG München: Siegel erweckt Eindruck eines objektivierten Qualitätsurteils
Dem war das Landgericht nicht gefolgt. Es vertrat die Auffassung, die Siegel erweckten den irreführenden Eindruck, die als „TOP-Mediziner“ bzw. „Empfehlung“ angepriesenen Mediziner seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden und nähmen dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachrichtung ein. Das vermeintlich durch das Siegel objektivierte Qualitätsurteil sei „in Wahrheit ein rein subjektives, das von vielen durch Ärzte und ihre Leistungen nicht beeinflussbare Faktoren abhängt.“ Die Pressefreiheit erstrecke sich nicht auf die Siegel, weil nach Auffassung des Gerichts der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrages verlassen worden sei.
Wann das OLG München zur Frage der Zulässigkeit der beworbenen Siegel mündlich verhandeln wird, ist noch offen.
Weiterführende Hinweise
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheit >>
F 4 0459/20
ug
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