Home News Unlautere Werbung: Über die Hälfte aller Beschwerden betreffen Sachverhalte im Internet – Wettbewerbszentrale legt Jahresbericht 2015 vor

Unlautere Werbung: Über die Hälfte aller Beschwerden betreffen Sachverhalte im Internet – Wettbewerbszentrale legt Jahresbericht 2015 vor

– 60 % aller Fälle betreffen Geschäftspraktiken und Werbung im Internet – Irreführungsfälle Hauptgrund für Beanstandungen – Mehr Fälle beim Europäischen Gerichtshof
(Köln, 3. Mai 2016)
Die Wettbewerbszentrale hat ihren Jahresbericht für das Jahr 2015 vorgelegt. Danach hat sie im vergangenen Jahr über 12.000 Anfragen und Beschwerden bearbeitet. Dabei betreffen weit über die Hälfte aller Beschwerden Werbe- und Vertriebsfälle im Internet. Hauptgrund für Beanstandungen sind Irreführungsfälle und Verstöße gegen Informationspflichten – allerdings mit rückläufiger Tendenz. Auch wenn die meisten Wettbewerbsstreitigkeiten außergerichtlich beigelegt werden konnten, musste die Wettbewerbszentrale in 2015 knapp 600 Gerichtsverfahren führen. Dabei nimmt die Zahl der Fälle beim EuGH zu.

Beschwerden über Werbung mit Internetbezug auf dem Vormarsch

  • 60 % aller Fälle betreffen Geschäftspraktiken und Werbung im Internet
  • Irreführungsfälle Hauptgrund für Beanstandungen
  • Mehr Fälle beim Europäischen Gerichtshof

(Köln, 3. Mai 2016) Die Wettbewerbszentrale hat ihren Jahresbericht für das Jahr 2015 vorgelegt. Danach hat sie im vergangenen Jahr über 12.000 Anfragen und Beschwerden bearbeitet. Dabei betreffen weit über die Hälfte aller Beschwerden Werbe- und Vertriebsfälle im Internet. Hauptgrund für Beanstandungen sind Irreführungsfälle und Verstöße gegen Informationspflichten – allerdings mit rückläufiger Tendenz. Auch wenn die meisten Wettbewerbsstreitigkeiten außergerichtlich beigelegt werden konnten, musste die Wettbewerbszentrale in 2015 knapp 600 Gerichtsverfahren führen. Dabei nimmt die Zahl der Fälle beim EuGH zu.

Beschwerden über Werbung mit Internetbezug auf dem Vormarsch
Bezogen auf das Werbemedium verzeichnet die Wettbewerbszentrale infolge der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaftsbereiche eine deutliche Verlagerung der Beschwerden und Anfragen auf Sachverhalte bzw. Werbung im Internet: Knapp 60 % aller bearbeiteten Fälle betreffen Sachverhalte im Internet.

Beschwerden über Irreführung und mangelnde Informationen in der Werbung
„Im vergangenen Jahr haben wir einen Rückgang der Beschwerden über Irreführung und mangelnde Transparenz in der Werbung zu verzeichnen“, erklärte Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, am Rande der Jahrestagung der Selbstkontrollinstitution in Köln. „Die Zahlen sind in diesem Bereich um 11 % auf 7.000 Fälle zurückgegangen.“ Dennoch bilden irreführende und intransparente Praktiken nach wie vor mit knapp 60 % den Hauptanteil bei den eingereichten Beschwerden. Deutlich weniger Beanstandungen waren zu irreführenden Preisangaben zu verzeichnen (- 19 %). Gestiegen sind dagegen Fälle mit Täuschungen und Irreführungen über geschäftliche Verhältnisse der Anbieter, wie etwa die Firmengröße, das Alter oder auch das Vorspiegeln örtlicher oder regionaler Präsenz (+ 14 %).

Fälle zu Geschäftspraktiken und Werbung im Internet:
Bei den knapp 7.000 Fällen zu Geschäftspraktiken und Werbung im Internet waren deutlich zwei Kategorien zu unterscheiden: einmal die Fälle, in denen sich Unternehmen ganz bewusst Wettbewerbsvorteile verschaffen wollen durch Tricks, Täuschungen, Manipulation und Rechtsverstöße. Sodann die große Anzahl an Fällen, in denen die hohe Regelungsdichte verbunden mit unklarer Rechtslage und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit auch denjenigen Unternehmen in der Praxis große Probleme bereitet, die sich rechtskonform und kundenfreundlich verhalten wollen.

  • Beschwerden zu Vergleichs- und Buchungsportalen
    Zu Werbemaßnahmen verschiedener Internet-Buchungsportale gingen der Wettbewerbszentrale im Jahre 2015 vermehrt Beschwerden zu. So hat sie Werbemaßnahmen mehrerer Portalbetreiber beanstandet wie z. B.:
    • irreführende Aussagen auf dem Buchungsportal hotel.de wie z. B. „Nur noch 1 Zimmer verfügbar!“, obwohl tatsächlich weitere Zimmer über andere Buchungskanäle buchbar waren oder die irreführende Werbung des Portals mit selbst vergebenen Hotel-Sternen, denen keine objektive Überprüfung durch eine neutrale Stelle zugrunde lag,
    • irreführende Gutscheinwerbung „Cashback nach Abreise“ des Betreibers von ab-in-den-urlaub.de, der die versprochene Auszahlung dann jedoch erst innerhalb von 28 Tagen nach Rückreise vornehmen wollte,
    • unzulässige Zahlungsmodalität auf opodo.de, wo nur eine kostenfreie Bezahlmöglichkeit mit einer speziellen Prepaidkarte vorgesehen war, obwohl per Gesetz mindestens eine gängige Zahlungsmöglichkeit ohne zusätzliche Kosten vorgesehen ist oder
    • irreführende Ersparniswerbung mit „50 % günstiger als Hotels“ auf wimdu.de, wobei die versprochene Ersparnis de facto nicht durchgängig erreicht werden konnte.

Eingeschritten ist die Wettbewerbszentrale auch gegen fehlende Anzeigenkennzeichnung gekaufter Top-Platzierungen auf dem Arzt-Empfehlungsportal jameda.de, die den Eindruck erweckten, es handele sich um die Ärzte, die am besten bewertet worden waren.

  • Google-Adwords-Werbung
    Gegen diverse Telekommunikationsanbieter (u. a. Vodafone, Telefónica Germany, 1&1 Internet SE, klarmobil GmbH und callmobile) hat die Wettbewerbszentrale Klagen wegen irreführender Google-Adwords-Werbung eingereicht: Die Unternehmen bzw. deren Tochterfirmen bewarben im Rahmen solcher Anzeigen ihre Mobilfunkdienstleistungen, ohne neben den monatlichen Kosten auch die einmalig anfallenden Kosten für den Anschluss oder den Kauf der SIM-Karte anzugeben. Diese Kosten wurden erst – aus Sicht der Wettbewerbszentrale zu spät – auf der firmeneigenen Internetseite aufgeführt.
  • Tricks zur Verbesserung der Trefferquoten und Rankings in Suchmaschinen
    Für Unternehmen wird es immer wichtiger, dass ihr Angebot im Internet auffindbar ist, insbesondere über Suchmaschinen. Das führte aber teilweise auch dazu, dass einige Dienstleister mit falschen Angaben Trefferlisten oder Rankings in Suchmaschinen-Ergebnislisten in unzulässiger Weise beeinflussten. So boten z. B. einzelne Immobilienanbieter auf Immobilienportalen ein und dieselbe Immobilie teilweise mit bis zu vier verschiedenen Stadtbezirken oder Postleitzahlen an, um eine höhere Trefferquote beim Einsatz von Suchfiltern zu erzielen. Durch diese Manipulation wurde der Nutzer auf ein Angebot geleitet, das tatsächlich nicht den von ihm angegebenen Suchparametern entspricht. Auch andere Dienstleistungsanbieter beeinflussten mit falschen Angaben zu nicht existierenden Niederlassungen die Trefferlisten in Suchmaschinen, sodass die Internetnutzer bei der Suche nach regionalen Anbietern getäuscht und vor allem die tatsächlich regional ansässige Konkurrenz auf der Trefferliste benachteiligt wurde.
  • Falsche Angaben zur Lieferzeit
    Die schnelle Lieferung entwickelt sich im Onlinehandel zu einem der maßgeblichen Wettbewerbsfaktoren. Die Anbieter setzen beim Kampf um die Kunden auf immer kürzere Lieferzeiten, wobei zum Teil auch getrickst wird: So wurden etwa „zwei Tage Lieferzeit“ versprochen, nach Abschluss der Verträge aber mitgeteilt, das erst nach Eingang neuer Ware geliefert werden könne. Die Elektronikmarktkette Saturn beispielsweise hatte online mit „auf Lager – Lieferung in 1 bis 2 Werktagen“ geworben. Nach Bestellung und Bezahlung durch Kunden wurden die so beworbenen Produkte auch nach 10 Tagen nicht geliefert. Auf Kundennachfrage konnte auch kein Liefertermin genannt werden. Andere Internethändler versprachen „sofortige Lieferbarkeit“, obwohl Kunden teilweise noch nach zwei Wochen die bestellte und bezahlte Ware nicht erhielten. Derartige Werbeaussagen wurden als irreführend beanstandet.

Fälle der Wettbewerbszentrale beim Bundesgerichtshof
Wie in den vergangenen Jahren führt die Wettbewerbszentrale auch aktuell etliche Verfahren mit grundsätzlicher Bedeutung vor dem Bundesgerichtshof. Ob auch Internetgiganten wie Amazon für die Verletzung von Informationspflichten wie z. B. zu Grundpreisangaben haften müssen oder ob sie sich auf sog. Ausrutscher in einem Massengeschäft berufen dürfen, ist ebenso Gegenstand eines Verfahrens der Wettbewerbszentrale vor dem BGH (Az. I ZR 145/15) wie die für den gesamten Handel wichtige Grundsatzfrage, ob ein Händler – wie im konkreten Fall die Drogeriemarktkette Müller – Rabattcoupons von Konkurrenten einlösen darf (BGH I ZR 137/15). Außerdem führt die Wettbewerbszentrale, die immer wieder Beschwerden über intransparente Werbemaßnahmen großer Möbelhäuser erhält, gegen die Betreibergesellschaft der XXXL Lutz Möbelhäuser ein Verfahren wegen unklarer Angabe der Bedingungen eines Aktionsangebots unter Verwendung eines Sternchenhinweises, dessen Aufklärung nach Auffassung der Wettbewerbszentrale nicht deutlich war (BGH, I ZR 164/15). Von Relevanz für eine ganze Branche ist ein Verfahren zur Ursprungskennzeichnung von Kulturchampignons: Hier wird der BGH (I ZR 74/16) zu klären haben, ob solche Pilze trotz Irreführung der Verbraucher, jedoch im Einklang mit dem Zollkodex, mit „Ursprung: Deutschland“ gekennzeichnet werden dürfen, wenn diese in den Niederlanden aufgezogen und nur für die Ernte nach Deutschland verbracht werden.

Mehr Fälle beim Europäischen Gerichtshof
Die Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass das deutsche Recht in weiten Teilen – auch im Wettbewerbsrecht – vom Recht der Europäischen Union überlagert wird. Das hat praktische Folgen: Immer öfter verlagern sich wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen nach Luxemburg. Nicht nur der Bundesgerichtshof (BGH), sondern auch die unteren Instanzen (Land- und Oberlandesgerichte) legen vermehrt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fälle zur Vorabentscheidung vor. Derzeit liegen allein drei Verfahren der Wettbewerbszentrale zur Klärung beim EuGH:

So hat der BGH mit Beschluss vom 24.03.2016 ein Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit dem die Wettbewerbszentrale klären lässt, ob der Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln einer Zertifizierungspflicht durch die zuständigen Öko-Kontrollstellen unterliegt (BGH, Az. I ZR 243/14). Das OLG Düsseldorf hat einen Fall der Wettbewerbszentrale gegen eine Patientenselbsthilfeorganisation, die mit der Versandapotheke DocMorris kooperierte, dem EuGH vorgelegt (Az. I-20 U 149/13). In diesem Fall soll geklärt werden, ob die Preisbindungsregelungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel auch dann gelten, wenn diese von ausländischen Versandapotheken an deutsche Kunden ausgeliefert werden. In einem weiteren Musterverfahren der Wettbewerbszentrale hat das LG Stuttgart dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Online-Händler im Rahmen seines Internetangebots eine kostenpflichtige Sonderrufnummer angeben darf, über die Kunden das Unternehmen zur Vertragsabwicklung kontaktieren können oder ob der Anruf für die Verbraucher kostenlos sein muss (LG Stuttgart, Az. 11 O 21/15).

Außergerichtliche Streitbeilegung in mehr als 80 % der Fälle
Insgesamt konnten weit über 80 % der von der Wettbewerbszentrale aufgegriffenen Fälle außergerichtlich beigelegt werden. Über 500 Mal wurde ein Schlichtungsverfahren vor den Einigungsstellen bei den IHKn durchgeführt. Insgesamt wurden im Laufe des Jahres 2015 knapp 600 Gerichtsverfahren geführt.

Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb.

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Weiterführende Informationen

Anhang zur Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale vom 03.05.2016 >>

Jahresbericht 2015 der Wettbewerbszentrale >>

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