Staatsentlastende Tätigkeiten wie die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO (HU) dürfen als eigene Leistungen nur von amtlich anerkannten Überwachungsorganisationen und deren Prüfingenieuren angeboten und beworben werden. Dennoch hatte ein Karosseriefachbetrieb unter einer Überschrift geworben:
„Wir bieten Ihnen Fachkompetenz, Professionalität und Persönlichkeit“
und sein Leistungsspektrum angeboten, unter anderem mit:
„Unfallinstandsetzung …
…
TÜV + ASU …“.
Unter einer weiteren Headline:
„Service ist uns wichtig“
listete der Betrieb sein Serviceangebot wie folgt auf:
„Wir nehmen uns Zeit für Sie …
…
Wir führen für Sie gerne weitere Leistungen durch, wie Haupt- und Abgasuntersuchung … und vieles mehr“.
Da es sich bei dem Betrieb nicht um eine amtlich anerkannten Überwachungsorganisation handelte, lag ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 UWG) vor. Auf die Abmahnung der Wettbewerbszentrale hin hatte der Fachbetrieb durch seinen anwaltlichen Vertreter eine Unterlassungserklärung abgegeben, sich aber geweigert, die Aufwandspauschale (= 299,60 Euro) zu bezahlen.
Die Wettbewerbszentrale hat den Zahlungsanspruch klageweise geltend gemacht. Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 05.03.2020, Az. 16 O 50/19, den Beklagten zur Zahlung der geltend gemachten Aufwandspauschale ebenso verurteilt wie zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits.
Zur Begründung führt das Gericht unter anderem aus, dass mit den vorstehend zitierten Aussagen der Beklagte irreführende geschäftliche Handlungen vorgenommen habe, die geeignet seien, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Weiter heißt es in den Urteilsgründen:
„Nach den oben dargestellten Aussagen hat der Beklagte den unrichtigen Eindruck vermittelt, dass er selbst mit seinem Karosseriefachbetrieb die beworbenen Untersuchungen übernehmen kann, obwohl er dazu keine Befähigung zur Durchführung der Untersuchungen gemäß Ziffer 3.1.1 der Anlage VIII zu § 29 StVZO (den Text von Zifferr 3.1.1 finden Sie am Anschluss dieser News) besitzt. Durch die gewählten Formulierungen im Internetauftritt können die Verbraucher der Fehlvorstellung unterliegen, dass die Prüfungen bei dem Beklagten aufgrund einer eigenen Prüffähigkeit schneller durchgeführt werden könnten als in anderen Werkstätten.“
Aus gegebenem Anlass weist die Wettbewerbszentrale darauf hin, dass Werkstätten, Karosseriefachbetriebe und Autohäuser staatsentlastende Tätigkeiten wie die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO nicht als eigene Leistung anbieten sollten, weil es sich bei ihnen in der Regel nicht um Berechtigte zur Erbringung dieser Leistung handelt.
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich automotive/Kfz >>
Text von Ziffer 3.1.1 der Anlage VIII zu § 29 StVZO
Hauptuntersuchungen sind von einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr (im Folgenden als aaSoP bezeichnet) oder von einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation nach Anlage VIIIb durch einen von ihr betrauten Prüfingenieur (im Folgenden als PI bezeichnet) durchführen zu lassen.
Weitere Rechtsprechung in diesem Bereich:
Vergleichbare Urteile
Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 22.04.2010, Az. 6 U 53/09
Die Beklagte wurde bei Androhung der üblichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, Leistungen nach der Straßenverkehrszulassungsordnung, nämlich die Durchführung der Hauptuntersuchung, zu bewerben, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2 zur Klageschrift. In dieser Anlage heißt es u. a.: „Meisterhafter Reifen- und Autoservice! Inspektion, …, HU / AU, …“; abgebildet auf der linken Hälfte der Werbung ist ein Werkstattmitarbeiter auf vier Fotos wie er zunächst Arbeiten an Stoßdämpfer, Bremsen und Motor ausführt und sodann persönlich die HU-Prüfplakette auf dem Nummernschild anbringt.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 21.03.2006, Az. 4 W 797/05
Hier hat das OLG einer Autohausinhaberin aufgegeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zeitungsanzeigen oder sonst werblich mit dem Hinweis „amtliche Prüfplakette“ unter der bildlichen Darstellung von Prüfplaketten hoheitliche Leistungen nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zu bewerben, „sofern eine Anerkennung als amtlich anerkannte Überwachungsorganisation durch die zuständige Behörde nicht vorliegt oder nicht deutlich sichtbar darauf hingewiesen wird, dass die hoheitlichen Leistungen nach der Straßenverkehrszulassungsordnung durch oder im Namen und zur Rechnung einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation erbracht werden.“
Landgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 10.01.2006, Az. 31 O 41/05
In dieser Entscheidung hat das LG dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, nachdem dieser in der mündlichen Verhandlung die Unterlassungserklärung abgegeben hatte, „hoheitliche Leistungen nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zu bewerben und/oder zu erbringen, sofern keine Anerkennung durch die zuständige Behörde vorliegt oder kein Hinweis darauf erfolgt, dass die Leistungen nur im Namen und für Rechnung einer amtlich anerkannten – und zu benennenden – Überwachungsorganisation erbracht werden oder kein Hinweis darauf erfolgt, dass externe Prüfingenieure amtlich anerkannter – und zu benennender – Überwachungsorganisationen die vorbezeichneten Leistungen erbringen.
Differenzierendes Urteil
Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 16.09.2016, Az. 6 U 166/15
Unter anderem wurde eine Außenwerbung mit „Hier im Haus! HU/AU (Abbildung der Prüfplaketten)“ für zulässig erachtet, weil damit für die angesprochenen Verkehrskreise nicht zum Ausdruck gebracht werde, dass der Werbende selbst die staatsentlastende Tätigkeit einer „HU/AU“ erbringe.
M 1 0072/19
ao
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