Der Präsident der Wettbewerbszentrale, Friedrich Neukirch, wies in seiner Begrüßungsansprache darauf hin, dass man sich aktuell – gerade im Nachgang zur Hannover Messe 2016 – die Frage stellen müsse, ob die Wirtschaft in Deutschland die digitalen Chancen hinreichend nutze. Insbesondere mit Blick auf das diesjährige Messe-Partnerland USA könne leicht der Eindruck entstehen, dass Europa bei der Industrialisierung 4.0 den Anschluss an die anderen Industriekontinente verliere. Deshalb sei es umso wichtiger, dass man sich mit den Veränderungen, die sämtliche Branchen durch die Digitalisierung erfahren, intensiv befasse und einen Weg finde, die damit einhergehenden Probleme so zu lösen, dass Deutschland wettbewerbspolitisch nicht ins Hintertreffen gerate.
Genau diesem Thema widmete sich dann auch der erste Redner, Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE). Gleich zu Beginn seines Vortrags mit dem Titel „Wettbewerb und Digitalisierung – Herausforderungen für Wettbewerbspolitik und Marktregulierung“ betonte er, dass man die Chancen der Digitalisierung nicht leichtfertig vergeben dürfe.
Was Vertikalbeschränkungen im Online-Handel anbelangt, so plädierte Haucap dafür, höhere Ansprüche an eine Untersagung festzulegen. Einen liberaleren Umgang empfahl er auch gegenüber den Anbietern von Sharing Economy. Am Beispiel eines Online-Vermittlungsdienstes für Fahrdienstleistungen führte er aus, warum die bisherige, rein abwehrende Haltung aus seiner Sicht negative Folgen für alle Beteiligten gehabt habe. Hier müsse nach handhabbaren Lösungen gesucht werden, die faire Wettbewerbsbedingungen mit einer adäquaten Regulierung verknüpfen. Insgesamt sei, so sein Fazit, in Anbetracht des mit der Digitalisierung einhergehenden Strukturwandels keine prinzipielle Änderung der Wettbewerbspolitik erforderlich, definitiv aber eine Weiterentwicklung und Neuorientierung.
Keese verwies hierzu auf das im Silicon Valley propagierte Prinzip der Veränderung durch Disruption, das auf den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Clayton M. Christensen zurückgeht. Deutlich machte er dieses, wie er es nannte, „Grundgesetz der Innovation“ anhand des Beispiels der CD, die er als erhaltende Technologie und damit nicht wirklich als innovativ einordnete. Demgegenüber stünden disruptive Technologien wie digitale Musikdienste, die den direkten Zugriff auf zahlreiche Songs, Hörbüchern etc. über das Internet ermöglichen und damit die Frage nach einem physischen Speichermedium im Grunde komplett abgelöst haben. Insgesamt sei es „höchste Eisenbahn“, da die deutsche Wirtschaft dringend handeln müsse, um im digitalen Zeitalter nicht den Anschluss zu verlieren.
Dr. Reiner Münker – geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale – bedankte sich abschließend noch einmal bei den Rednern für die äußerst informativen Ausführungen zum Thema Digitalisierung und den deutlichen Hinweis auf die Herausforderungen für Wirtschaft und Politik, die daraus resultieren.
Die nächste Jahrestagung der Wettbewerbszentrale findet am 10. Mai 2017 in Bad Homburg statt.
Weiterführende Informationen
Jahresbericht 2015 der Wettbewerbszentrale >>
si
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