– Preismogeleien rückläufig / Anfragen wegen gesetzlicher Informationspflichten signifikant gestiegen / Beratungsbedarf bei Verbraucherschutz-Compliance wird steigen –
Insgesamt hat die Wettbewerbszentrale im vergangenen Jahr erneut über 13.000 Anfragen und Beschwerden bearbeitet. Knapp 60 % aller Fälle betrafen dabei den Bereich „Irreführung und Transparenz“. Dabei sind die bei der Wettbewerbszentrale eingegangenen Fälle mit irreführenden Preismogeleien um gut 11 % zurückgegangen. Sachverhalte zu Marktverhaltensregelungen wie Handwerksordnung, Apothekenbetriebsordnung, Gewerbeordnung, Ladenschlussgesetz und Lebensmittel-, Heilmittel- oder sonstige berufs- und produktbezogene Regelungen folgten mit 25 % Anteil am Gesamtaufkommen. Daneben bearbeitete die Wettbewerbszentrale über 800 Fälle belästigender Werbung und ebenso viele Fälle aus den Bereichen „Behinderung des Wettbewerbs“, Kartellrecht, unsachliche Beeinflussung und Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Signifikant angestiegen ist die Zahl der Fälle, in denen es darum geht, ob ein Anbieter die zahlreichen Informationsanforderungen in ausreichender Weise erfüllt oder nicht. Seit dem Jahr 2010 hat die Zahl dieser Sachverhalte bei der Wettbewerbszentrale deutlich überproportional um über 42 % zugelegt. „Gut 4.000 Aktenvorgänge allein mit Fragen zu gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten haben wir im Jahr 2014 bearbeitet“, teilte Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, am Rande der Jahrestagung am Dienstag in Bad Homburg mit. Das Problem sei, dass die gesetzlichen Informationspflichten nicht nur in unterschiedlichsten Gesetzen „verstreut“ seien, sondern die Vorschriften immer detaillierter würden und schwierige Abgrenzungsfragen nach sich zögen. Selbst für Fachjuristen und Gerichte sei oft die Rechtslage nicht eindeutig. Für Unternehmen bedeute dies Rechts- und Planungsunsicherheit, denn: Unlauter handelt, wer Informationspflichten verletzt.
Nach Angabe von Münker haben in 2014 etwa die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) der Wirtschaft großen Umstellungsaufwand abgefordert, gleichzeitig aber viele neue Fragen und Unsicherheiten aufgeworfen, z. B. welches die wesentlichen Eigenschaften eines Produkts sind, über die informiert werden muss oder ob kostenpflichtige 01805-Telefonnummern in der Widerrufsbelehrung verwendet werden dürfen.
Wettbewerbszentrale unterstützt Unternehmen –
Anforderungen an Verbraucherschutz-Compliance steigen
Klärung kann in vielen Fällen nur ein höchstrichterliches Urteil bringen. Die Wettbewerbszentrale versucht deshalb, zügig Musterverfahren vor den BGH oder den EuGH zu bringen, um wichtige Fragen für die Praxis zu klären. Bis zur Klärung geht die Wettbewerbszentrale im Interesse der Unternehmen differenziert vor. In vielen Fällen erfolgen nicht sofort Abmahnungen, sondern kostenlose Hinweisschreiben.
„Wir wollen nicht nur gegen Rechtsverstöße einschreiten, um zu fairen Wettbewerbsbedingungen beizutragen. Wir wollen den Unternehmen auch vorab helfen, in den Bereichen Verbraucherschutz und Lauterkeitsrecht compliant zu sein“, erklärte Münker. Deshalb wurde die Beratung der Mitgliedsunternehmen weiter ausgebaut. Workshops und Seminare bilden zusätzlich einen wichtigen Teil der Arbeit. Münker ist sicher, dass Beratungsbedarf und Anforderungen an die Verbraucherschutz-Compliance angesichts der Bestrebungen der EU-Kommission im Hinblick auf ihre Strategie für den digitalen Binnenmarkt weiter zunehmen werden: Der Druck auf Unternehmen, die sich in der digitalisierten Welt bewegen, wird steigen. Die Sorge, dass weitere Informationspflichten hinzukommen, sei vor diesem Hintergrund nicht unberechtigt. Münker appellierte insoweit an die Gesetzgeber, mit Augenmaß vorzugehen.
Insgesamt konnten die meisten von der Wettbewerbszentrale beanstandeten Fälle außergerichtlich gelöst werden. Dennoch musste die Selbstkontrollorganisation auch im vergangenen Jahr wieder mehr als 600 Gerichtsverfahren führen, von denen Münker nur einige beispielhaft darstellte:
Auch und gerade Internetgiganten wie Amazon müssen sich im Interesse der Verbraucher und der Chancengleichheit der gesetzestreuen Mitbewerber an Informationspflichten halten. Hiergegen aber wehrt sich der Internetkonzern. Die Wettbewerbszentrale hat Amazon daher verklagt und in der ersten Instanz gewonnen (Landgericht Köln, Urteil vom 06.11.2014, Az. 31 O 512/13). Es war festgestellt worden, dass Amazon selbst (also nicht über den „Marketplace“ von Drittanbietern) vertriebene Damenblusen angeboten hatte, ohne entsprechend der Textilkennzeichnungsverordnung anzugeben, aus welchen textilen Fasern die Blusen gefertigt waren. Ebenso hatte Amazon Teppichreiniger und ein Multiöl angeboten, ohne jeweils den nach der Preisangabenverordnung erforderlichen Grundpreis anzugeben.
Amazon hatte eingewandt, dass es sich um ein technisches Versehen und damit um Fehler im Einzelfall handele, die zwar bedauerlich seien, aber angesichts ihrer Größe bei einem derartigen Massengeschäft vorkommen könnten. Amazon würde alleine unter dem Stichwort „Bekleidung“ 145.000 Produkte anbieten, unter dem Stichwort „Küche & Haushalt“ 283.000 Produkte und unter dem Stichwort „Auto“ sogar 1.048.000 Produkte. Die hier beanstandeten Einzelverstöße im Massengeschäft könne man als „Ausreißer“ der Beklagten nicht vorwerfen, sonst würde das gesamte Geschäftsmodell der Fa. Amazon gefährdet. Mittlerweile liegt der Fall beim Oberlandesgericht Köln, da Amazon nach wie vor nicht bereit ist, für die Fehler einzustehen.
Eine wichtige gerichtliche Klärung konnte die Wettbewerbszentrale im vergangenen Jahr im Hinblick auf Vertriebsbeschränkungen im Internet erreichen. Konfrontiert mit dem sehr transparenten und harten Preiswettbewerb im Internet versuchen manche Markenhersteller, den Vertrieb ihrer prestigeträchtigen Markenprodukte über das Internet zu beschränken. Dies ist kartellrechtlich nicht unproblematisch, wird doch der Wettbewerb hierdurch eingeschränkt. Die Wettbewerbszentrale hatte den Kamerahersteller Casio verklagt, weil dieser durch Klauseln in seinen Händlerverträgen versucht hatte, den Verkauf über Internet-Auktionsplattformen wie eBay und Internetmarktplätzen wie Amazon pauschal auszuschließen. Sowohl das Landgericht Kiel als auch das in zweiter Instanz befasste Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Urteil vom 05.06.2014, Az. 16 U (Kart) 154/13) folgten der Wettbewerbszentrale und untersagten die kartellrechtswidrige Praxis der Fa. Casio.
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel. Als branchenübergreifende, neutrale und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft setzt sie die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften im Markt – notfalls per Gericht – durch. Sie bietet umfassende Informationsdienstleistungen, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und unterstützt den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb
Medienkontakt:
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V.
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Weitere Hinweise
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Jahresbericht 2014 >>
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