Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main, mit der einem Portal zur Geltendmachung von Fluggastrechten die Werbung mit dem Hinweis „Kein Kostenrisiko (die Entschädigung dürfen Sie in jedem Fall behalten)“ als irreführend untersagt wurde, ist durch Rücknahme der Berufung des Portalbetreibers rechtskäftig geworden (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.04.2020, Az. 3-12 O 8/19, Az. des Berufungsverfahrens beim OLG Frankfurt am Main 6 U 85/20).
Der Portalbetreiber bietet Flugreisenden im Falle von Verspätungen oder Ausfällen an, deren Rechte gegenüber der Fluggesellschaft geltend zu machen.
Der Sachverhalt bis zur Unterlassungserklärung
Im Mai 2019 hatte die Wettbewerbszentrale die Werbung des Portals mit dem Hinweis „risikofrei und kostenlos“ als irreführend beanstandet. Tatsächlich erhielt der Verbraucher aber selbst bei erfolgreicher Durchsetzung seiner Ansprüche nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Portalbetreibers nur einen Teil des von der Fluggesellschaft ausgezahlten Betrages – nämlich den Differenzbetrag, der nach Abzug eines Eigenanteils für das Portal verblieb. Die Wettbewerbszentrale beanstandete dies als irreführend und als Verstoß gegen die Nr. 21 des Anhangs zu § 3 UWG. Danach ist es per se unzulässig, eine Leistung als „kostenlos“ zu bewerben, wenn der Verbraucher dafür gleichwohl Kosten zu tragen hat. Der Portalbetreiber verpflichtete sich binnen weniger Tage nach der Beanstandung im Rahmen einer Unterlassungserklärung, auf den Hinweis der „Kostenlosigkeit“ der Dienstleistung zu verzichten.
Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsklärung und Verfahren vor dem LG Frankfurt am Main
Im Juli 2019 musste die Wettbewerbszentrale dann feststellen, dass der Portalbetreiber seine im Internet veröffentlichten Aussagen nur marginal geändert hatte. Er warb nun für seine Dienstleistungen mit dem Hinweis „Kein Kostenrisiko (die Entschädigung dürfen Sie in jedem Fall behalten)“, obwohl der Verbraucher auch weiterhin eine „Servicegebühr“ zu zahlen hatte, die von der durch die Fluggesellschaft zu zahlenden Entschädigung abgezogen wurde. Die Wettbewerbs-zentrale sah dies als Verstoß gegen die Unterlassungserklärung an und forderte den Portalbetreiber auf, die versprochene Vertragsstrafe zu zahlen und die Werbung zu ändern.
Nachdem der Portalbetreiber die Zahlung einer Vertragsstrafe ablehnte und zu der geänderten Werbung keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, erhob die Wettbewerbszentrale beim Landgericht Frankfurt Main Klage. Das Gericht verurteilte den Portalbetreiber nicht nur zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe, sondern auch zur Unterlassung der beanstandeten Werbung.
Das Gericht stellte zunächst klar, dass eine nach Beanstandung einer Flyerwerbung abgegebene allgemeine Unterlassungserklärung bezüglich bestimmter irreführender Aussagen sich nicht auf ein spezifisches Werbemedium beschränkt, sondern auch die Werbung im Internet mit umfasst sei. Es sei intransparent, für ein Legal Tech Angebot mit dessen „Kostenlosigkeit“ zu werben, obwohl der Anbieter Teile der auszuzahlenden Entschädigung für sich behält. Dabei spiele es keine Rolle, ob mit dem Hinweis „risikofrei und kostenlos“ oder „Kein Kostenrisiko“ geworben werde. Es untersagte daher auch die geänderte Werbung und verurteilte das Portal zur Zahlung der Vertragsstrafe aus der abgegebenen Unterlassungserklärung.
Das Berufungsverfahren vor dem OLG Frankfurt am Main
Gegen diese Entscheidung des Landgerichts legte der Portalbetreiber Berufung ein. Er wiederholte seine Auffassung, dass die geänderte Werbung nicht unter den Tenor der abgegebenen Unterlassungserklärung falle. Außerdem sei diese geänderte Werbung auch nicht irreführend, weil der Verbraucher auf Grund der geänderten Werbung in jedem Falle wisse, dass der an ihn auszuzahlende Betrag nicht der vollen, von der Fluggesellschaft bezahlten Entschädigung entspreche.
In der mündlichen Verhandlung am 29. April 2021 wies der 6. Zivilsenat darauf hin, dass die geänderte Werbung auch nach seiner Auffassung gegen die in der Unterlassungserklärung übernommene Verpflichtung verstoße. Auch gehe der Senat wie schon das Landgericht davon aus, dass auch die geänderte Werbung irreführend sei, also aus den Formulierungen nicht hinreichend deutlich werde, dass das Portal einen Teil der Entschädigung als Entgelt für seine Dienstleistungen einbehalte. Auf Grund dieser Hinweise nahm das beklagte Portal die Berufung zurück, sodass die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main rechtskräftig geworden ist.
„Die Auffassung des OLG Frankfurt reiht sich in eine Reihe weiterer Entscheidungen zu dem Thema ein“, kommentiert Rechtsanwalt Peter Breun-Goerke, Syndikusrechtsanwalt in der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale diese Entscheidung. Er wies in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf hin (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2020, Az. I-15 U 76/19), mit der einem Inkassounternehmen, das ebenfalls Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung durchsetzt, die Werbung mit Entschädigungsbeträgen als irreführend untersagt hatte, wenn bei den genannten Beträgen der Einbehalt für die eigene Tätigkeit nicht berücksichtigt sei. „Die Anbieter solcher Dienstleistungen müssen bei der Werbung auf Transparenz in dem Sinne achten, dass nicht mehr versprochen wird als das, was der Verbraucher am Ende dann auch erhalten kann“, kommentiert Breun-Goerke weiter.
(F 5 0204/19)
pbg
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