In einem Verfahren der Wettbewerbszentrale wurde vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) am 17.03.2016 die Frage verhandelt, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für niederländische Apotheken gilt, die Kunden in Deutschland beliefern. Dem Verfahren liegt ein so genanntes Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) zugrunde.
Der Ursprung des Verfahrens liegt bereits einige Jahre zurück:
Die Wettbewerbszentrale hatte bereits im Jahre 2009 das Schreiben einer Patientenselbsthilfeorganisation beanstandet, in dem diese ihren Mitgliedern eine Kooperation mit der Versandapotheke DocMorris vorstellte. Diese sah vor, dass Mitglieder beim Bezug ihrer verschreibungspflichtigen Arzneimittel über die niederländische Apotheke DocMorris Rabatte in Form eines sogenannten Rezeptbonus in Höhe von 2,50 € und eines „Extrabonus“ in Höhe von 0,5 % des Warenwertes des Medikamentes erhielten. Die Wettbewerbszentrale beanstandete das Schreiben mit dem Argument, dass derartige Rabatte gegen die im Arzneimittelgesetz und der Arzneimittelpreisverordnung festgelegte Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel verstoßen und die Patientenvereinigung das Bonusmodell der niederländischen Apotheke fördere. Die geforderte Unterlassungserklärung gab die Patientenorganisation nicht ab, so dass die Wettbewerbszentrale Klage beim Landgericht (LG) Düsseldorf einreichte.
Das LG Düsseldorf gab der Klage statt und untersagte dem Beklagten, im Rahmen seiner Kooperation mit der Versandapotheke deren Bonus-Modell zu empfehlen. Zur Begründung seiner Entscheidung hatte das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (alter Fassung) in Verbindung mit § 78 AMG und §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung verstoßen habe. Gegen dieses Urteil legte die Patientenvereinigung Berufung ein.
Das OLG Düsseldorf war der Auffassung, dass für sein Urteil eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs notwendig sei. Es hat dem EuGH die Fragen vorgelegt, ob es eine Behinderung des freien Warenverkehrs im Sinne des Art. 34 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darstellt, wenn sich Preisbindungsregelungen auch auf Arzneimittel erstrecken, die von ausländischen Versandapotheken an deutsche Kunden ausgeliefert werden. Darüber hinaus stellt das OLG Düsseldorf die Frage, ob die Preisbindungsregelungen etwa zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung im Sinne des Art. 36 AEUV gerechtfertigt seien.
Im Rahmen der Erörterung vor dem EuGH hatten beide Parteien Gelegenheit, ihre Positionen darzustellen. Die Vertreter der Wettbewerbszentrale wiesen darauf hin, dass einseitige Preisunterbietungen durch Versandapotheken aus anderen Mitgliedsstaaten das Gesamtsystem der Arzneimittelversorgung nachhaltig gefährdeten. Das System stehe auch im Einklang mit der langjährigen Rechtsprechung des EuGH, wonach Gründe des Gesundheitsschutzes Abweichungen vom freien Warenverkehr rechtfertigten und die Mitgliedsstaaten einen Wertungsspielraum für die Ausgestaltung ihrer Gesundheitssysteme besitzen. Die Gegenseite wiederum bestritt, dass ein Preisrabatt, wie ihn die DocMorris-Apotheke gewähre, das Arzneimittelsystem ins Wanken bringen könne. Beide Parteien hatten 15 Minuten Zeit, ihre Rechtsauffassung vorzutragen. Daran schlossen sich die Plädoyers der Vertreter der Bundesregierung und der EU-Kommission an. Die EU-Kommission ist der Auffassung, die Preisbindung auch für ausländische Apotheken sei nicht europarechtskonform, die Bundesregierung verteidigte die deutsche Regelung. Neben dem Berichterstatter stellte auch der Generalanwalt Maciej Szpunar Fragen an die Vertreter der Bundesregierung und der Kommission, insbesondere zum Notdienstsystem der Apotheken.
Eine Entscheidung wurde noch nicht verkündet. Am 2. Juni 2016 wird der Generalanwalt seine Schlussanträge stellen. Erst danach wird der EuGH in einem weiteren Termin seine Entscheidung bekanntgeben.
EuGH, Az. Rs. C 148/15
OLG Düsseldorf, Az. I 20 U 149/13
LG Düsseldorf, Az. 12 O 411/09
(F 4 0298/09)
ck
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