Es gibt erneut Anlass darauf hinzuweisen, dass ein Sachverständiger im Rahmen der Akquise von Sachverständigengutachten nicht an Werkstätten und Autohäuser mit dem Angebot herantreten darf, für die Vermittlung von Gutachten Prämien oder Geldleistungen zu gewähren.
Sachverhalt
Im konkreten Fall hatte ein Sachverständiger zahlreiche Betriebe angeschrieben mit der „Anfrage einer Zusammenarbeit“. Konkret sah der Inhalt dieses Schreiben wie folgt aus:
„Anfrage einer Zusammenarbeit
Sehr geehrte Damen und Herren,
als neutrales und unabhängiges KfZ Sachverständigen Büro sind wir mobil rund um NRW unterwegs. Unser Kerngeschäft ist das Erstellen von Schadengutachten binnen 24h von der Aufnahme bis hin zur Fertigstellung und Zusendung.
Ihre Vorteile für Sie als Werkstatt sind:
- Umgehende Terminierung zur Besichtigung des Fahrzeugs.
- Fertiges Gutachten bin 24h.
- Sie erhalten eine Prämie für jedes erstellte Gutachten von mindestens 20 %,
ab dem Gutachten im Monat 30 % bei einem durchschnittlichen Grundhonorar von 1000 €.
Falls Sie Interesse an einem kompetenten und zuverlässigen KfZ Gutachter haben, melden Sie sich. Gerne stelle ich mich auch persönlich bei Ihnen vor. “
Rechtliche Bewertung
Das Anbieten, Versprechen oder Gewähren derartiger „Prämien“ ist mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht vereinbar und stellt eine unlautere geschäftliche Handlung dar (§ 3 Abs. 1 UWG). Die angeschriebenen Werkstätten und Autohäuser werden aufgrund der leistungsfremden Mittel in unzulässiger Weise beeinflusst, sich mit dem „Angebot“ des Sachverständigen näher auseinanderzusetzen und aufgrund der in Aussicht gestellten Prämien von mindestens 20% ihm Gutachtenaufträge erteilen. Dies bedeutet konkret, der „Prämienempfänger“ setzt sich auch bei seinen Kunden ein, Gutachten von diesem Sachverständigen erstellen zu lassen. Damit wird der Leistungswettbewerb nicht nur zu Lasten der Verbraucher, sondern auch zu Lasten der anderen am Markt tätigen Sachverständigen verfälscht. Und zwar zu Lasten derjenigen, die freiberuflich tätig und in Verbänden wie dem BVSK, dem VKS oder dem ZAK organisiert sind, aber auch zu Lasten der in Prüforganisationen wie der DEKRA, der GTÜ, den TÜVs und anderen Organisationen tätigen Kfz-Sachverständigen für Schäden und Bewertung von verunfallten Kraftfahrzeugen.
Zudem steht das „Schmieren“ im Wettbewerb unter Strafe. Gemäß § 299 Abs. 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge. Die in Aussicht gestellten Prämien von mindestens 20% bis zu 30% der Gutachtergebühren für eine Leistung – konkret: Empfehlung eines Sachverständigen durch ein Autohaus oder einen Reparaturbetrieb – die solche Betriebe ohnehin erbringen, kann als die Erfüllung des vorgenannten Straftatbestandes gewertet werden.
Die Wettbewerbszentrale konnte die Angelgenheit außergerichtlich klären. Der Sachverständige hat eine Unterlassungserklärung abgegeben.
Rechtsprechung
Zu solchen Fallgestaltungen gibt es eine umfangreiche Judikatur:
- Das Landgericht Hannover, Versäumnisurteil vom 10.02.1999, Az. 21 0 210/99, hat einem Sachverständigen verboten, sich an ein Autohaus mit einem „Cooperationsangebot“ zu wenden mit Hinweisen wie: „Um meinen Kundenstamm zu erweitern, biete ich Ihnen 20 % Umsatzbeteiligung, von jedem von Ihnen bei mir gemeldeten Gutachten an. Bei 5 gemeldeten Gutachten bekommen Sie einen weiteren interessanten Bonus“.
- Das Landgericht Köln, Beschluss vom 22.02.2000, Az. 33 0 151/00, hat einem Ingenieurbüro verboten, die Zusammenarbeit bei Kraftfahrzeug-Unfallschäden wie nachstehend wiedergegeben anzukündigen und/oder wie angekündigt zu verfahren: „Zum Ausgleich Ihrer Kosten in diesem Zusammenhang (z.B. telefonische Benachrichtigung meines Büros) erhalten Sie pro erstelltem Gutachten DM 30,00“.
- Mit Urteil vom 30.09.2003, Az. 12 O 84/03, hat das Landgericht Krefeld (abgedruckt in WRP 2004, 648 „Provisionszahlungen“) einer Gutachter GmbH und deren Geschäftsführer verboten, Autohäusern und/oder Kraftfahrzeughändlern und/oder Kfz-Reparaturbetrieben „Aufwandsentschädigungen“ für die Erteilung eines Gutachtenauftrags auf dem Gebiet von Kraftfahrzeugschäden anzubieten bzw. anzukündigen und/oder gemäß den Ankündigungen zu verfahren, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht: „Für jeden vermittelten Gutachtenauftrag erhalten Sie nach Rechnungsstellung eine Aufwandsentschädigung von 50,00 EURO zuzügl. MwSt.“.
- Das Landgericht Berlin, Urteil vom 25.11.2003, Az. 103 O 159/03 (abgedruckt in WRP 2004, 647 „Provisionszahlung durch Sachverständigen“), hat Werbeschreiben eines Sachverständigen an Kfz-Werkstätten und Versicherungsagenten, in denen eine Vermittlungsprovision angeboten wird, als eine Verfälschung des Leistungswettbewerbs gem. § 1 UWG a.F. gewertet. Dies gelte auch in den Fällen, in denen die Provision nur den Betriebsinhabern und nicht den angestellten Mitarbeitern des Betriebes angeboten und auf das Geschäftskonto eingezahlt würden und zu versteuern seien: „Aus den angebotenen 20 % des Grundhonorars mag sich zwar „keine relevante Erwerbsquelle …..“ ergeben, zu vernachlässigen sind aber Beträge zwischen € 40,00 und € 120,00 nicht, zumal die Provisionen bei Schäden über € 10.000,00 deutlich höher liegen können“.
- Mit Urteil vom 21.11.2007, Az. 1 O 195/07 (IfS-Informationen 1/2009, S. 9), hat das Landgericht Arnsberg einem Sachverständigenbüro untersagt, Provisionsangebote für die Erteilung von Gutachtenaufträgen zu unterbreiten. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 15.04.2008 zurückgenommen nachdem das Oberlandesgericht Hamm, Az. I-4 U 199/07, in der mündlichen Verhandlung klarstellte, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben werde.
- Auch der Bundesgerichtshof hat mittlerweile Provisionszahlungen als unlauter qualifiziert (Urteil vom 02.07.2009, Az. I ZR 147/06, abgedruckt in WRP 2009, 1227 – Winteraktion; vgl. hierzu auch: https://www.wettbewerbszentrale.de/de/branchen/sachverstaendige/aktuelles/_ news/?id=876 ).
- Das Landgericht Hannover hat mit Anerkenntnisurteil vom 06.06.2016, Az. 74 O 33/16, einem Sachverständigen verboten, Provisionen für die Erteilung eines Gutachtenauftrags anzubieten, zu versprechen oder durch Dritte anbieten oder versprechen zu lassen. Der Betreffende hatte Karosseriebetrieben, gestaffelt nach der Reparaturhöhe eine Vergütung für das Vermitteln von Gutachten bei Haftpflichtschäden angeboten wie folgt: „ab 750 Euro Reparaturhöhe: 50,- Euro, ab. 2500 Euro Reparaturhöhe: 70,- Euro, ab. 4000 Euro Reparaturhöhe: 100,- Euro.“
- Das LG Gießen hat mit Versäumnisurteil vom 21.05.2021, Az. 6 O 13/21, einem Unternehmen und dessen Geschäftsführern, welche die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten im B2B-Bereich mit Bezeichnungen wie „Gutachter-vor-Ort“ anboten, unter anderem nachstehende Werbeaussagen verboten, die als Gegenleistung für die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten mittels Verwendung der App „Gutachter-vor-Ort“ versprochen wurden:
„Innerhalb von 20 Minuten* ca. 310 €** für Ihren Kfz-Betrieb“
„Circa 310,- €** für 20 Minuten* Aufwand“
„Nach Zahlungseingang wird das Honorar zwischen Ihnen und uns zu gleichen Teilen aufgeteilt (…)“
„Mithilfe unserer Gutachter-vor-Ort App erhöhen Sie in nur 20 Minuten* Ihre Marge durch ein Gutachterhonorar“
„Auftrag absenden und an jedem Gutachten 310 € und mehr verdienen“
„Sie erhalten50% des Kfz-Gutachtenhonorars. Im Schnitt sind es 310,- €** pro Auftrag und mehr …“
„… und Sie erhalten dazu noch die Hälfte des Gutachter Honorars“
Weiterführende Informationen
Beitrag v. Dr. Andreas Ottofülling : Provisionszahlungen ein altes Thema – und doch immer wieder neu
M 1 0075/22
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