Erfüllt ein Nahrungsergänzungsmittel (Weihrauchextrakt) nach dem europäischen Recht sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch eines Arzneimittels gilt nach der Rechtsprechung des EuGH der so genannte „Strenge-Grundsatz“. Danach hat das strengere Arzneimittelrecht Vorrang vor dem weniger strengen Lebensmittelrecht. Nach der EuGH-Rechtsprechung ändert daran auch die Einfuhr des Produkts aus einem anderen EU-Land nichts, in dem das Produkt als Lebensmittel angesehen wird.
Das hat das OVG Saarlouis auf die erfolglose Berufung einer Händlerin entschieden. Mit ihrer Klage ging die Händlerin gegen ein erlassenes Verkehrsverbot für ihr Weihrauch-Produkt durch das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales vor. Dieses hatte das Ministerium im Jahre 2002 gegen das Produkt wegen fehlender arzneimittelrechtlicher Zulassung (§ 69 Abs. 1 Arzneimittelgesetzes) verhängt.
Das Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass für die Unterscheidung von Lebensmitteln und Arzneimitteln unmittelbar die gemeinschaftsrechtliche Lebensmittelverordnung 178/2002 maßgebend ist. Nach dem weiten Lebensmittelbegriff des Gemeinschaftsrechts ist das Weihrauchprodukt zunächst einmal ein Lebensmittel, das nach einem Gutachten aromatische Geschmackswirkung und Verdauungswirkung hat. Darüber hinaus liegt aber auch ein Arzneimittel mit pharmakologischen Wirkungen vor, denn nach wissenschaftlichen Forschungsergebnissen beeinflusst indischer Weihrauchextrakt Entzündungsprozesse im menschlichen Körper, und zwar bei hoher Dosis positiv im Sinne einer Heilung und bei niedriger Dosis – wie bei dem streitgegenständlichen Produkt – negativ im Sinne einer Förderung von Entzündungen. Mithin sind nach dem europäischen Recht sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch eines Arzneimittels gegeben. Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt deshalb der so genannte „Strenge-Grundsatz“ als Entscheidungsregel, das heißt, das strengere Arzneimittelrecht hat wegen der in diesem Bereich zu erwartenden größeren Gesundheitsgefahren Vorrang in der Anwendung vor dem weniger strengen Lebensmittelrecht. Nach der EuGH-Rechtsprechung ändert daran auch die Einfuhr des Produkts aus einem anderen EU-Land nichts, in dem es – wie vorliegend in Österreich – als Lebensmittel angesehen wird.
Gegen das Urteil kann die Klägerin Rechtsmittel beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.
Oberverwaltungsgericht Saarlouis, Urteil vom 3.2.2006, Az: 3 R 7/05
Quelle: Pressemitteilung des OVG Saarlouis vom 13.02.2006
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