Das Oberlandesgericht München hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale einer Augenklinik untersagt, für eine operative Korrektur der Fehlsichtigkeit mit einem kostenfreien Eignungscheck zu werben, wenn der Eindruck erweckt wird, dass dieser von Ärzten durchgeführt wird. Dagegen ist die Durchführung eines solchen Eignungschecks zulässig, wenn er von so genannten Patientenberatern durchgeführt wird (OLG München, Urteil vom 09.11.2017, Az. 29 U 4850/16).
Die Werbung
Die Augenklinik hatte im Internet damit geworben, dass sie Interessenten „kostenfreie Eignungschecks“ zum Thema refraktive Chirurgie und Korrektur der Fehlsichtigkeit mittels Lasik und Linsenbehandlung anbiete. Im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Werbung war die Rede von einem kompetenten Ärzteteam, das auf 20 Jahre Erfahrung zurückblicke. An anderer Stelle war ebenfalls von einem kostenlosen Eignungscheck die Rede, allerdings wurde dies ergänzt mit dem Hinweis „durchgeführt von speziell geschulten Patientenberatern“.
Unzulässige Zuwendung oder handelsübliche Nebenleistung?
Die Wettbewerbszentrale hatte die Eignungschecks als Verstoß gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) beanstandet. Das Landgericht München hatte der Klage der Wettbewerbszentrale vollständig stattgegeben. Es hatte einen Verstoß gegen das Zuwendungsverbot gesehen und festgestellt, dass es sich nicht um eine handelsübliche Nebenleistung handele. Das Argument, dass Augenoptiker im Vorfeld eines Brillenverkaufs kostenlose Sehtests durchführen, ließ das Landgericht nicht gelten, weil es sich eben nicht um den Verkauf einer Brille oder von Kontaktlinsen handele, sondern um Augenlaseroperationen.
Das Oberlandesgericht differenziert in dem nun vorliegenden Urteil allerdings zwischen ärztlichen und nicht-ärztlichen Leistungen. Generell handele es sich bei den kostenlos durchgeführten Augenmessungen um geldwerte Vergünstigungen, also um Zuwendungen im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG. Sofern sie von Ärzten durchgeführt werden, sind sie nach Auffassung der Richter unzulässig, weshalb in diesem Punkt der Klage der Wettbewerbszentrale stattgegeben wurde. Anders verhält es sich aber, wenn so genannte „Patientenberater“ den kostenlosen Eignungscheck durchführen. Dies bewertet das Gericht als handelsübliche und damit zulässige Zuwendung. Denn – so die Ausführungen in dem Urteil – der Verkehr sei seit Jahren daran gewöhnt, dass von zahlreichen Optikern kostenlose Augenmessungen angeboten und durchgeführt würden. Auch sei die Kostenlosigkeit des Eignungschecks nicht besonders herausgestellt worden, so dass der Verkehr auch nicht aufgrund einer besonderen Hervorhebung davon ausgehe, es handele sich um eine besondere Leistung der Beklagten
Konsequenzen für die Praxis
Das OLG München bestätigt die Auffassung der Wettbewerbszentrale, dass Ärzte keine kostenlosen Leistungen anbieten dürfen. Dies verstößt im Übrigen nicht nur gegen § 7 HWG, sondern möglicherweise auch gegen berufs- und gebührenrechtliche Vorschriften und damit gegen § 3a UWG. Diese Grundsätze gelten auch, wenn nicht-ärztliches Personal ärztliche Leistungen unter Aufsicht des Arztes ausführt. So darf etwa der Zahnarzt nicht mit einer kostenlosen Zahnreinigung werben und sich darauf berufen, dass ja nicht er, sondern seine Angestellte die Zahnreinigung ausführe.
Die Teil-Abweisung der Klage hinsichtlich der von Patientenberatern durchgeführten Eignungschecks ist der besonderen Situation in der Branche geschuldet. Denn der Verbraucher ist es seit Jahrzehnten gewöhnt, dass Optiker vor einem Kauf kostenlose Augenmessungen anbieten und durchführen. Das Gericht hat argumentiert, dass eine Differenzierung zwischen Augenlaserzentren und Brillen- und Kontaktlinsenanbietern nicht veranlasst sei. Die Entscheidung des OLG München lässt daher nach Auffassung der Wettbewerbszentrale nicht den Schluss zu, dass kostenlose medizinische Leistungen, die von Nicht-Ärzten angeboten werden, generell zulässig sind.
F 4 0115/16
ck
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