Das OLG München hat die Berufung eines pharmazeutischen Unternehmens gegen ein Urteil des LG München zurückgewiesen, mit dem diesem untersagt wurde, Arzneitees zu vertreiben, wenn auf der Verpackung ein Bio-Siegel oder der Hinweis „Aus ökologischem Landbau“ oder der Hinweis „X Arzneitee seit 1916“ aufgebracht ist (OLG München, Urteil vom 31.03.2022, Az. 6 U 1972/21; LG München, Urteil vom 12.03.2021, Az. 37 O 2885/20). Seit kurzem liegt die begründete Entscheidung des Oberlandesgerichts vor.
Werbung oder gebrauchssichernde Information?
Die Wettbewerbszentrale hatte einen Verstoß gegen § 10 Absatz 1 Satz 5 Arzneimittelgesetz (AMG) beanstandet. Die Vorschrift sieht vor, dass auf der Verpackung eines Arzneimittels weitere Angaben nur zulässig sind, wenn sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung des Patienten wichtig sind. Auch Art. 62 RL 2001/83/EG regelt, dass die Verpackung eines Arzneimittels nur Informationen enthalten darf, die für die Gesundheitsaufklärung wichtig sind; nicht zulässig sind Angaben mit Werbecharakter. Beide Vorschriften haben ein Ziel: Wichtige Informationen sollen nicht durch Werbung „verwässert“ werden.
Die Beklagte hatte im Wesentlichen eingewandt, beide Vorschriften seien dahingehend auszulegen, dass die weiteren Angaben, die aus Sicht des Patienten wichtig sind, zulässig sein müssten. Zudem greife die Vorschrift des § 10 Abs.1 Satz 5 AMG unverhältnismäßig in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit ein. Darüber hinaus seien das Bio-Siegel und der Hinweis auf den ökologischen Landbau auch nach der ab 1.1.2022 geltenden VO(EU) 2018/848 (Öko-VO) auf der Verpackung traditioneller pflanzlicher Zubereitungen wie dem Arzneitee ausdrücklich erlaubt.
Fehlender Gesundheitsbezug
Nach Auffassung des OLG stehen die beanstandeten Aussagen weder mit der Anwendung des Arzneitees in Zusammenhang noch sind sie für die gesundheitliche Aufklärung des Patienten wichtig. Dabei berücksichtigten die Richter auch den Einwand der Beklagten, der Hinweis „kann farblich und optisch differieren“ sei von § 10 Absatz 1 Satz 5 AMG gedeckt. Selbst wenn dies so wäre – so das Gericht in seinen Entscheidungsgründen – sei ein inhaltlicher und räumlicher Bezug zu der Angabe „aus ökologischem Landbau“ nicht gegeben. Entsprechend argumentierte es mit Blick auf das Bio-Siegel. Hinsichtlich der Traditionsangabe meinte das Gericht, dass dieser nur der Sinngehalt entnommen werden könne, dass die Beklagte seit 1916 Arzneitees herstelle bzw. vertreibe. Diese Information stehe mit der Anwendung des Arzneimittels in keinem Zusammenhang und sei für den Patienten in gesundheitlicher Hinsicht nicht wichtig.
Kein grundrechtswidriger Eingriff
Auch die Öko-VO (EU) 2018/848 ändert nach Auffassung des Gerichts nichts an der Unzulässigkeit der Angaben. Es verwies darauf, dass Art. 2 Absatz 5 der Verordnung ausdrücklich regele, dass die Verordnung unbeschadet sonstigem spezifischen Unionsrecht betreffend das Inverkehrbringen von Erzeugnissen – also auch unbeschadet der RL 2001/83/EG (und deren Art. 62) – gelte. Auch greife die Vorschrift des § 10 AMG nicht unzulässig in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG ein. Eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung mit Blick auf „harmlose“ Arzneimittel wie Arzneitees verbiete sich, da eine solche mit dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Dem Gesetzgeber sei durchaus bewusst, dass es zahlreiche „harmlose“ Arzneimittel gebe und er habe dies an verschiedener Stelle im Gesetz berücksichtigt. In Bezug auf die Kennzeichnungsvorschrift des § 10 AMG habe er indes gerade keine Ausnahme für bestimmte Arzneimittel vorgesehen.
Die Wettbewerbszentrale hat bereits häufiger für die Pharmabranche klären lassen, ob und welche Angaben auf der Verpackung zulässig sind. So hat zum Beispiel das OLG München die Auffassung vertreten, dass der Hinweis auf eine „geänderte Rezeptur“ im Einklang mit § 10 Absatz 1 Satz 5 AMG steht und damit zulässig ist (Vgl. News. 24.04.2020 // OLG München: Hinweis „geänderte Rezeptur“ auf einer Arzneimittelpackung ist keine unzulässige Werbung – Wettbewerbszentrale nimmt Berufung zurück).
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitswesen >>
F 4 0389/19
ck
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