Im Kern geht es in dem Verfahren um die Frage, ob eine Krankenversicherung in Kooperation mit einem Apotheker diesem – über den Arzt – Patienten zuführen darf.
Zum rechtlichen Hintergrund: Das Abspracheverbot in § 11 Apothekengesetz (ApoG)
Nach § 11 Abs. 1 ApoG dürfen Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Damit soll letztlich die Unabhängigkeit des Apothekers gewahrt werden. Er soll sich bei seinem Kontakt zu anderen Gesundheitsberufen wie z. B. Ärzten nicht von sachfremden Erwägungen, insbesondere finanzieller Art, leiten lassen.
Eine Ausnahme sieht § 11 Abs. 2 ApoG vor. Ausnahmsweise dürfen vom Inhaber einer Apotheke aufgrund einer Absprache anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen unmittelbar an den anwendenden Arzt abgegeben werden. Hintergrund der Ausnahme ist die Tatsache, dass die Herstellung von anwendungsfertigen Zytostatika als Spezialrezeptur eine besondere personelle, räumliche und apparative Ausstattung erfordert und ferner die Zytostatikazubereitungen aus Sicherheitsgründen nicht den Patienten ausgehändigt werden sollen.
Zum Sachverhalt
Der Beklagte betreibt eine Apotheke mit Versanderlaubnis. Er hatte eine Kooperation mit einer Krankenversicherung abgeschlossen, die die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln vorsah. Konkret handelte es sich um Arzneimittel zur Behandlung der degenerativen Makuladegeneration (Erkrankung der Netzhaut, die zu hochgradiger Sehbehinderung oder Blindheit führen kann). Die Versicherung schrieb die Kunden, bei denen vom behandelnden Augenarzt die Indikation zur intravitrialen (Verabreichung eines Medikaments in den Glaskörper des Auges) Injektionstherapie mit einem Angiogenesehemmer gestellt worden war, an und wies sie auf die Kooperation mit dem Apotheker hin. Beigefügt war ein an den behandelnden Augenarzt adressiertes Schreiben nebst einer „Anforderung patientenbezogener Arzneimitteltherapie“.
Die Wettbewerbszentrale sah in dieser Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und der Versicherung oder dem jeweiligen Augenarzt einen Verstoß gegen das Abspracheverbot des § 11 Abs. 1 Apothekengesetz sowie Verstöße gegen ähnlich lautende berufsrechtliche Bestimmungen.
Landgericht Köln: Fertigspritzen sind Zytostatika
Das Landgericht Köln war der Auffassung, es könne dahingestellt bleiben, ob die Kooperation des Apothekers mit der Versicherung in den Anwendungsbereich des Abspracheverbotes falle, da es sich bei den Fertigspritzen zur Behandlung der Makuladegeneration um anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen handele, somit die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 2 Apothekengesetz greife. Es könne in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob es sich bei den Wirkstoffen um Zytostatika im engeren Sinn handele, da der Begriff weit zu verstehen sei, so dass hierunter alle Arzneimittel mit zellwachstums-, insbesondere zellteilungsverhindernder oder –verzögernder Wirkung fielen (LG Köln, Urteil vom 27.06.2018, Az. 84 O 231/17).
OLG Köln: Krankenversicherung befasst sich nicht mit „Behandlung von Krankheiten“
Das OLG Köln wies die Berufung der Wettbewerbszentrale gegen das erstinstanzliche Urteil ab. Es begründete dies mit der Annahme, dass bereits keine unzulässige Absprache im Sinne des § 11 Abs. 1 ApoG vorliege. Diese Vorschrift erfordert, wie oben dargestellt, die Absprache mit einer Person, „die sich mit der Behandlung von Krankheiten“ befasst. Dazu gehört nach Auffassung des OLG Köln eine Krankenversicherung nicht, denn diese habe keinen Einfluss auf die Frage, welches Medikament der Arzt verordne oder nutze, sondern sie übernehme allein die Behandlungskosten im Rahmen ihrer Versicherungsleistung. Auch eine unzulässige Absprache mit einem Arzt erkannte das OLG nicht. Ein einvernehmliches Handeln von Arzt und Apotheker, das die Wahlfreiheit des Patienten im Hinblick auf die Auswahl einer Apotheke einschränke, finde nicht statt.
Das OLG Köln hat die Revision nicht zugelassen. Die Wettbewerbszentrale prüft derzeit, ob sie Rechtsmittel zum BGH einlegt und auf diesem Wege die Frage klären lässt, ob das Abspracheverbot auch dann gilt, wenn die Absprache nicht direkt mit dem Arzt, sondern über einen Dritten – wie hier über eine Krankenversicherung – getroffen wird.
OLG Köln, Urteil vom 11.01.2019, Az. 6 U 131/18
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Gesundheitswesen >>
ck
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