Home News OLG Karlsruhe: Keine Werbung mit Terminvereinbarung im Reisegewerbe – Handwerksordnung (HwO) als Marktverhaltensregel

OLG Karlsruhe: Keine Werbung mit Terminvereinbarung im Reisegewerbe – Handwerksordnung (HwO) als Marktverhaltensregel

Darf ein „mobiler Friseur“ im Reisegewerbe Kunden auffordern, Termine zu vereinbaren? Mit dieser Frage nach Grenzen der Werbung im Reisegewerbe hat sich das OLG Karlsruhe befasst. Die Entscheidung:  Kunden zur Terminvereinbarung im Reisegewerbe aufzufordern ist in der Gestalt nicht zulässig (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.01.2024, Az. 6 U 28/23, kein Verfahren der Wettbewerbszentrale). Die Revision wurde nicht zugelassen.

Im konkreten Fall forderte eine Reisegewerbetreibende ihre Kunden – per Online-Terminvereinbarung auch unter Angabe einer Telefonnummer und E-Mail-Adresse – zur Kontaktaufnahme auf. Dagegen wandte sich ein Mitbewerber. 

Nach Auffassung des OLG Karlsruhe bewarb die Beklagte ihre Tätigkeit im sog. stehenden Gewerbe, zu dessen Ausübung sie mangels sog. Handwerksrolleneintragung nicht berechtigt war. 

Reisegewerbe und stehendes Gewerbe – die Initiative der Kunden

Nach § 55 Gewerbeordnung (GewO) betreibt ein Reisegewerbe, wer außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung Waren oder Leistungen ohne vorhergehende Bestellung anbietet und erbringt. Hierzu bedarf es einer Erlaubnis in Form der sog. Reisegewerbekarte. Kernpunkt ist, dass es keine vorhergehende Bestellung geben darf. Die Initiative zur Leistungserbringung muss also vom Reisegewerbetreibenden ausgehen, nicht vom Kunden. Wirbt der Gewerbetreibende jedoch um die Initiative des Kunden, etwa durch Aufforderung der Kontaktaufnahme, so handelt es sich um ein sog. stehendes Gewerbe. 

Dieses muss den allgemeinen Anforderungen und möglicherweise den Zulassungspflichten nach § 1 HwO gerecht werden. Die Abgrenzung zwischen beiden Formen der Gewerbeausübung richtet sich nicht danach, ob eine gewerbliche Niederlassung vorhanden ist, sondern nach der Art und Weise des Kundenkontaktes. Ein Reisegewerbe liegt regelmäßig nur dann vor, wenn der Gewerbetreibende den Kunden ohne vorherigen Auftrag aufsucht. 

Das Gericht geht dabei auch darauf ein, der Verkehr sei es gewohnt, dass Leistungen im Internet auch unter Angabe einer Anschrift angeboten werden – unabhängig davon, ob dort ein für Kunden geöffnetes Geschäft betrieben wird. Aus der bloßen Adressangabe ergebe sich nicht notwendigerweise ein niedergelassener Geschäftsbetrieb im stehenden Gewerbe. 

Marktverhaltensregel – Zulassungspflichtiges Handwerk

Aufgrund der konkreten Werbung der Beklagten hat das Gericht die Zulässigkeit an den Regeln für stehende Gewerbe gemessen. Wer selbstständig ein zulassungspflichtiges Handwerk – z.B. Friseur–Handwerk – ausüben will, muss auf Grundlage einer fachlichen Qualifikation in die sog. Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen sein (vgl. § 1 Abs.1 HwO). Dieses präventive System stellt sicher, dass Handwerk von sachlich und fachlich qualifizierten Personen ausgeübt wird. 

Diese Regeln sind, so der Senat, sog. Marktverhaltensregeln:  

„Die Vorschriften der Handwerksordnung sind, soweit sie eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der hergestellten Waren oder angebotenen Dienstleistungen gewährleisten sollen, Marktverhaltensregeln i.S.d. § 3a UWG“.

Dies gelte insbesondere, soweit mit den ausgeführten Tätigkeiten Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit der Kunden einhergehen können. 

Das abzuwenden bezweckt diese Zulassungspflicht. Mangels Eintragung in die Handwerksrolle durfte die Beklagte das zulassungspflichtige Friseur-Handwerk jedoch nicht ausüben und folglich auch nicht bewerben.

Zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung im Handwerksbereich und Praxis der Wettbewerbszentrale

Das Urteil des OLG Karlsruhe liegt auf der Linie einer Entscheidung des OLG Hamm, die die Wettbewerbszentrale bereits vor etlichen Jahren erwirkt hat (OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2006, Az. 4 U 80/06) und einer Vielzahl weiterer gerichtlicher Entscheidungen. 

In der Fallpraxis der Wettbewerbszentrale gibt es seit Jahren zahlreiche Anfragen und Beschwerden im Handwerksbereich. Gegen unzulässige Handwerksausübung geht die Wettbewerbszentrale im Wege der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung vor. Nur wenn die Regeln eingehalten werden, findet zwischen Betrieben ein Wettbewerb auf Augenhöhe statt. 

Weiterführende Informationen

Jahresbericht 2022 der Wettbewerbszentrale, Kapitel „Handwerk“ S. 107 >>

Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Handwerk >>

md

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