Oberlandesgericht entscheidet zur geschäflichen Unerfahrenheit von Kindern.
Ferrero druckt auf seine Produkte sog. Milchtaler, die in ein zur Aktion gehörendes Sammelheft -ähnlich einem Rabattheft- eingeklebt werden sollen. Bei einer bestimmten Anzahl gesammelter Taler können die Hefte gegen eine Kinokarte oder Produkte zum Film „The Incredibles“ wie z. B. ein T-Shirt oder Handtuch eingetauscht werden. Zielgruppe dieser Werbemaßnahme sind Kinder und Jugendliche. Die Milchtaler-Kampagne ist nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern auszunutzen.
Zwar ist eine Werbeaktion wettbewerbswidrig, wenn sie geeignet ist, die geschäftliche Unerfahrenheit Kindern auszunutzen. Diese Voraussetzung war nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt jedoch nicht erfüllt. Kinder sind zwar typischerweise unerfahren. Aber nicht jede Werbung, die sich gezielt an Kinder richtet, ist deshalb geeignet, ihre geschäftliche Unerfahrenheit auszunutzen. Auch wenn bei Werbeaktionen der vorliegenden Art die Gegenüberstellung von Preis und Gegenwert erschwert ist, ist auch eine auf die Gewährung von Prämien ausgerichtete Sammelaktion in der Werbung gegenüber Kindern nicht generell unzulässig. Die durch die Werbung beabsichtigte und bewirkte Beeinflussung der angesprochenen Kinder muss für jeden Einzelfall konkret geprüft werden.
Angesprochen wird mit der Werbung hier die Altersgruppe der 8-13-jährigen, die mit ihrem Taschengeld in begrenztem Rahmen selbst wirtschaften. Eine Ausnutzung geschäftlicher Unerfahrenheit liegt nach Auffassung des Gerichts nur dann vor, wenn die Kinder durch werbliche Anreize zum Kauf überteuerter oder ungeeigneter Waren verleitet werden. Das ist hier nach Ansicht der Richter nicht der Fall. Auch eine unzureichende Transparenz des Angebots, eine Ausnutzung des Sammeltriebs oder ein Anhalten zum Kauf über Bedarf gehe von der Sammelaktion nicht aus. Der Wert der Zugabe lasse sich realistisch einschätzen. Das Sammeln der einheitlich gestalteten Milchtaler weckt kein besonderes Sammelinteresse. Von einer übersteigerten Attraktivität der Prämien kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Schließlich hat das Gericht geprüft, ob der durch die Werbung provozierte Einsatz von Kindern als „Kaufmotivation ihrer Eltern“ als unangemessene unsachliche Einflussnahme gegen § 4 Nr. 2 UWG verstößt. Das hat das Gericht für die konkrete Aktion verneint.
Das Verfahren wurde von der Wettbewerbszentrale initiiert und bis zum Oberlandesgericht geführt, um zu sehen, wie ein oberstes Gericht den neuen § 4 Nr. 2 UWG auslegt. Denn in dem Bereich „Werbung gegenüber Kindern“ erhält die Wettbewerbszentrale regelmäßig Anfragen zur lautern Gestaltung von Werbemaßnahmen.
Quelle: Urteil vom 12.05.2005, Az: 6 U 24/05, Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20.06.2005
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