Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. hat im Jahr 2008 mehr als 16.000 Beschwerdefälle über unrechtmäßige Geschäftspraktiken über alle Branchen hinweg bearbeitet. Damit bewegt sich die Rechtsverfolgung der Wettbewerbszentrale weiter auf hohem Niveau. Die Gründe für derartige Rechtsverletzungen reichen von blanker Unkenntnis der Kaufleute über das zunehmende Dickicht an Regulierungen bis hin zu vorsätzlichen oder gar gezielten Behinderungen von Wettbewerbern oder Übervorteilung von Kunden. Dies berichtete Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Selbstkontrollinstitution der deutschen Wirtschaft, am Rande der diesjährigen Jahrestagung der Wettbewerbszentrale in Bad Homburg.
Bei etwa der Hälfte aller Beschwerdefälle musste die Wettbewerbszentrale mit einem offiziellen Unterlassungsverfahren gegen die Rechtsverletzer vorgehen. Obwohl die überwiegende Zahl der Streitigkeiten außergerichtlich beigelegt werden konnte, führte die Wettbewerbszentrale im Jahr 2008 insgesamt ca. 700 Gerichtsverfahren, davon 30 Fälle vor dem Bundesgerichtshof.
Irreführung und mangelnde Transparenz führen die Liste der Wettbewerbsbeschwerden an: Mehr als 5.000 Beschwerdefälle betrafen im Jahr 2008 den weiten Bereich der Täuschungen und Mogeleien. Im Vordergrund stehen dabei hauptsächlich Mogeleien beim Preis und der versprochenen Qualität der angepriesenen Produkte. Auch wenn je nach Branche mehr oder weniger spezielle Marktverhaltens- und Ordnungsvorschriften existieren und damit gegen ganz unterschiedliche Regelungen verstoßen wird – im Kern geht es überwiegend um den Schutz vor Intransparenz und Irreführung im Markt. Die Beschwerden sind dabei nicht auf einzelne Wirtschaftszweige begrenzt. „Ob Handwerk, Handel, Industrie oder Banken, Energieversorger, Telekommunikationsanbieter oder Krankenkassen – jede Branche hat in ihren Reihen mit Anbietern zu kämpfen, die den schnellen Vorteil durch Wettbewerbsverfälschungen im Markt zu erzielen versuchen“, erklärte Münker.
Vor diesem Hintergrund berichtete Münker von zahlreichen Einzelfällen in beispielhaft ausgewählten Branchen:
In der Finanzbranche beobachte die Wettbewerbszentrale als Folge der Finanzkrise einen verschärften Kampf um Privatkunden. Münker kritisierte, dass viele Bürger den Eindruck haben müssten, die Banken hätten aus der Finanzkrise kaum gelernt: „Bei dem mühsamen Versuch, das Vertrauen der Privatkunden zurück zu erlangen, haben einige in der Werbung gleich wieder mit übertriebenen Versprechungen gearbeitet. Mit vollmundigen Slogans wie ‚100%-ige Sicherheit’, oder ‚ohne Risiko!’ für Finanzanlagen wurde direkt am Nerv des verunsicherten Kunden angesetzt, obwohl die Praxis zeigt, dass im derzeitigen Finanzsystem niemand absolute Sicherheit versprechen kann.“ Auf Beanstandungen der Wettbewerbszentrale hin hätten sich sämtliche Kreditinstitute zu zurückhaltender Werbung mit Sicherheitsversprechen und entsprechender Transparenz verpflichtet.
Abmahnverfahren wurden eingeleitet gegen mehrere namhafte Institute u. a. wegen irreführender Produktwerbung mit falschen Verzinsungsangaben oder Tilgungsberechnungen: Die Commerzbank hatte Ende des Jahres für eine Immobilienfinanzierung mittels Schweizer Franken geworben, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, die Tilgung werde auf 10 Jahre festgeschrieben. Das Berechnungsbeispiel für die monatliche Kreditrate basierte allerdings – ohne dass dies klar wurde – auf einer 30-jährigen Tilgung. Bei einer 10-jährigen Tilgung musste der Kunde weit mehr als die doppelte der in der Werbung angegebenen Monatsrate zahlen.
Eine bekannte Direktbank musste sich ebenfalls zur Unterlassung verpflichten: Sie hatte geworben mit der irreführenden Aussage „Kostenloses Depot + 50 Euro Startguthaben“. Tatsächlich gab es kein solches Geld-Guthaben, sondern Fondsanteile im Wert von 50 €. Der Kunde wurde auch nicht darüber aufgeklärt, dass er bestimmte Bedingungen erfüllen musste, um von diesem Angebot zu profitieren: So stand im Kleingedruckten die Verpflichtung des Kunden, Wertpapiergeschäfte in bestimmtem Umfang zu tätigen, um die Depotgebühren zu reduzieren.
Die Bayerische Hypo- und Vereinsbank hatte für eine Kapitalanlage mit der Aussage „HVB 8,50 % München Anleihe – zum Stadtgeburtstag gut aufgelegt“ geworben. Anders als vom angesprochenen Publikum zu erwarten, handelte es sich bei dem Produkt aber gar nicht um ein festverzinsliches Wertpapier mit der angekündigten Nominalverzinsung. Vielmehr wurde mit dieser irreführenden Werbung ein so genanntes Garantiezertifikat im Bereich von Aktienpaketen und Aktienkörben angeboten, bei dem eine Verzinsung in der beworbenen Form nicht statt findet.
Münker beanstandete auch, dass namhafte Finanzunternehmen an ihre eigenen Kunden mit verschleierter Werbung heran traten. So hatten etwa die Deutsche Bank und die Victoria Versicherung Geschäftsbriefe mit dem Betreff „Ihr Zulagenkonto“ an Bestandskunden versandt, die ihnen suggerierten, sie müssten zur Vermeidung von Nachteilen aktiv werden und sich an ihre Bank oder Versicherung wenden. Wer sich bei seinem Institut meldete, dem wurden dann allerdings Altersvorsorgeprodukte angedient.
Um Irreführung und fehlende Transparenz ging es auch in der Energie- und Versorgungswirtschaft. Hier tobt seit Jahren eine erbitterte Werbeschlacht der Anbieter: „Die Verkaufsargumente Preis, Umweltfreundlichkeit und Energieeffizienz werden gegenüber dem Konkurrenzprodukt in Stellung gebracht – immer wieder auch mit falschen Tatsachenbehauptungen und Halbwahrheiten“, stellte Münker fest. Die Wettbewerbszentrale habe diverse Abmahnverfahren einleiten müssen: „Völlig frei von Emissionen“ sollte beispielsweise die beworbene Wärmepumpe eines Anbieters von Haus- und Systemtechnik sein. Verschwiegen wurde allerdings, dass der Betrieb der Wärmepumpe von der Zufuhr elektrischen Stroms abhängig ist und jede verbrauchte Kilowattstunde Strom auch CO2 freisetzt.
Die Wettbewerbszentrale musste außerdem gegen den Ökostromanbieter „Lichtblick“ mit einer einstweiligen Verfügung einschreiten, nachdem sich dessen Außendienstmitarbeiter bei Privatkunden an der Haustür mit der falschen Behauptung Einlass verschafft hatten, man sei ein Mitarbeiter der Stadtwerke und wolle die Strompreise überprüfen. Tatsächlich sollten die Kunden zum Wechsel zum Anbieter „Lichtblick“ bewegt werden. „Das Beispiel zeigt, dass die Bandagen härter geworden sind, mit denen um den Strom-Endkunden gekämpft wird. Der Eindruck des Verbrauchers, dass hier unseriöse Drückerkolonnen unterwegs sind, schadet dem Image der gesamten Branche“, betonte Münker.
Auch im Einzelhandel betrafen die Beschwerden hauptsächlich irreführende Werbeaussagen. Die Bezeichnung eines Wäschesets mit „pure cotton“ durch einen großen Kaffee-Filialisten war als irreführend zu beanstanden, weil tatsächlich 38 % Polyester und 5 % Elasthan im Material enthalten waren. Als unzutreffend und damit irreführend erwiesen sich ferner die vollmundige Behauptung einer großen Supermarktkette „Nur hier… die billigsten Preise Deutschlands! Versprochen!“ sowie die Vermarktung von Eiscreme und Weißbrötchen als „gesund“. Eine irreführende Produktvermarktung beanstandete die Wettbewerbszentrale gegenüber einer Handelsgesellschaft, die Schuhmodelle als „Mädchen-Skechers“ und „Damen-Chucks“ angeboten hatte, obwohl es sich bei den Produkten um Nachahmungen handelte. „Solche Fälle führen zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der Konkurrenten, die echte Markenprodukte anbieten“, warnte Münker. In sämtlichen Fällen haben sich die Unternehmen gegenüber der Wettbewerbszentrale zur Unterlassung verpflichtet.
Wegen Verstoßes gegen den Glückspielstaatsvertrag musste die Wettbewerbszentrale im Jahr 2008 mehrfach gegen staatliche Lotterie- und Spielbankbetreiber einschreiten. Die Bundesländer hatten sich – um einem verfassungsrechtlichen Verbot ihres Monopols entgegen zu wirken – im sog. Glückspielstaatsvertrag verpflichtet, auf anreizende Werbung im Lottobereich zu verzichten, diese vielmehr sachlich und aufklärend im Hinblick auf Spielsuchtgefahren zu gestalten. Dieser Verpflichtung waren einige Anbieter der Bundesländer nicht nachgekommen, sondern hatten vielmehr in der Werbung deutliche Anreize zum Glücksspiel geschaffen – so z. B. der Freistaat Bayern, die Deutsche Klassenlotterie Berlin oder die Westdeutsche Lotterie, die mit unzulässiger, weil blickfangmäßiger Jackpot-Werbung auffielen. „Der Staat kann nicht auf der einen Seite das Lotteriemonopol mit dem Schutz der Bürger vor Spielsucht begründen und auf der anderen Seite dann selbst plakativ zur Teilnahme an Glücksspielen auffordern, als wenn es den Glücksspielstaatsvertrag nicht gäbe“, kommentierte Münker die Fälle.
Weitere Einzelfälle aus unterschiedlichen Branchen sind im Jahresbericht 2008 der Wettbewerbszentrale aufgeführt (siehe pdf-Dokument zum Download).
Wettbewerbszentrale
Die Wettbewerbszentrale ist die größte und einflussreichste Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Als branchenübergreifende und unabhängige Institution der deutschen Wirtschaft unterstützt sie den Gesetzgeber als neutraler Ratgeber bei der Gestaltung des Rechtsrahmens für den Wettbewerb, bietet umfassende Informationsdienstleistungen rund um das Wettbewerbsrecht, berät ihre Mitglieder in allen rechtlichen Fragen des Wettbewerbs und setzt als Hüter des Wettbewerbs die Spielregeln im Markt – notfalls per Gericht – durch. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1.200 Unternehmen und über 600 Kammern und Verbänden der Wirtschaft.
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