In einem Verfahren der Wettbewerbszentrale hat das Landgericht Trier entschieden, dass eine „unbezahlte“ Schleichwerbung in der Presse keine unbezahlte Produktempfehlung ist, die der Gesetzgeber mit der neuen Influencer-Regelung in § 5a Abs. 4 UWG hat privilegieren wollen, wenn der Verlag einen PR-Text und ein Foto kostenlos nutzen durfte (LG Trier, Urteil vom 24.05.2024, Az. 7 HKO 32/23, nicht rechtskräftig).
Der beklagte Verlag hatte in einem Anzeigenblatt einen redaktionellen Text über Kopfschmerzen veröffentlicht. Er war mit einem Foto einer Frau mit einem verkniffenen Gesicht bebildert. Das Foto stammte vom Hersteller eines Kopfschmerzmittels, und der Text wurde über eine PR-Agentur verbreitet und von den Journalisten des Anzeigenblatts nur geringfügig abgewandelt. Das Schmerzmittel wurde in dem Artikel als einziges derartiges Produkt zweimal namentlich genannt.
Pflicht zur Kennzeichnung aus dem UWG
Die Wettbewerbszentrale nahm den Verlag wegen der fehlenden Kennzeichnung auf Unterlassung in Anspruch und ging anschließend gerichtlich gegen ihn vor. Das Gericht hat Klage der Wettbewerbszentrale stattgegeben. Zwar könne die Wettbewerbszentrale nicht schon aus dem einschlägigen Landesmediengesetz (hier: § 14 LMedienG Rheinland-Pfalz) eine Kennzeichnung als „Anzeige“ verlangen, denn der Beklagte Verlag habe für die Veröffentlichung kein Entgelt erhalten.
Jedoch ergebe sich die Pflicht zur Werbekennzeichnung und der Unterlassungsanspruch der Wettbewerbszentrale aus § 5a Abs. 4 UWG. In dem Text werde das Produkt ohne redaktionellen Anlass zwei Mal namentlich genannt und zudem noch als „bewährt“ und „gut verträglich“ bezeichnet. Auch in einer „kleinen“ Zeitung wie dem streitgegenständlichen Anzeigenblatt erwarte der Leser nicht, dass PR-Artikel als eigene Artikel des Presseorgans ohne Kennzeichnung dargestellt würden. Der beklagte Verlag habe als Gegenleistung für den Artikel die Nutzungsrechte an dem Artikel und an dem Bild erhalten. Der Redakteur habe den Artikel nicht nur als Inspiration genutzt, sondern ihn fast unverändert übernommen. Das belege ein anderer – fast wortgleicher – Text in einer anderen Zeitung, den die Anwälte der Wettbewerbszentrale in dem Verfahren vorlegt hatten. Der Begriff der „ähnlichen Gegenleistung“ in § 5a Abs. 4 UWG sei dahingehend auszulegen, dass auch sonstige Gegenleistungen und nicht nur eine Geldzahlung ausreichen. Das ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus der gesetzgeberischen Begründung im „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“.
Ersparte Aufwendungen = Gegenleistung
Der Hersteller bzw. die PR-Agentur habe dem beklagten Verlag eine Dienstleistung zur Verfügung gestellt, die sie nutzen durfte. Der Verlag habe sich so zumindest die Erstellung des Artikels sowie auch die Suche nach einem passenden Bild in freien Bilddatenbanken erspart. Allerdings sei eine solche Veröffentlichung nicht zwingend als „Anzeige“ zu bezeichnen, sondern es könnte auch ein anderer Begriff wie z.B. „Werbung“ verwendet werden.
Ausnahme: unbezahlte Produktempfehlung?
Das Gericht hat § 5a Abs. 4 UWG in der neuen Fassung angewendet, die seit dem 28.05.2022 gilt. Dort wurde in den Sätzen 2 und 3 eine Regelung für Influencer ins Gesetz aufgenommen. Ein kommerzieller Zweck soll danach bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vorliegen, wenn der Handelnde kein Entgelt oder ähnliche Gegenleistung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Allerdings wird der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung zunächst vermutet. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber unbezahlte Produktempfehlungen durch Influencer ermöglichen (BT-DrS. 19/27873, S. 32).
Fraglich war, ob sich auch das Anzeigenblatt im hiesigen Fall auf diese Regelung berufen konnte, weil es geltend machte, es habe kein Geld für die Veröffentlichung des PR-Textes und -Bilds erhalten. Die Gesetzesbegründung nennt ausdrücklich nur Influencer. Diese Frage hat das Gericht nicht entscheiden müssen, weil es bereits die Nutzungsrechte an dem Text und dem Foto als eine geldwerte Gegenleistung angesehen hat.
Damit befindet es sich auf einer Linie mit anderen Gerichten. So hatte bspw. der EuGH (Rs. C-371/20) Nutzungsrechte an Fotos als eine „Bezahlung“ im Sinne des Schleichwerbeverbots in Nr. 11 der Blacklist (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG) angesehen, und der BGH (I ZR 9/21) hatte kostenlose Dienstleistungen an eine Influencerin wie ein Haarstyling oder ein Fotoshooting als Gegenleistung angesehen, die zur Kennzeichnungspflicht führen (vgl. dazu die Zusammenfassung in der News der Wettbewerbszentrale vom 22.2.2022 // BGH zu Influencern: Haarstyling, Foto-Shooting und zugesandte Produkte verpflichten zur Werbekennzeichnung >>).
Werblicher Überschuss?
Jahrelang nahmen die Gerichte Verstöße gegen das Verbot der Schleichwerbung in § 5a Abs. 6 a.F. UWG bereits dann an, wenn ein werblicher Überschuss vorlag, wenn also bspw. ein Produkt selektiv hervorgehoben oder werblich angepriesen wurde. Nach dieser Rechtsprechung kam es nicht darauf an, ob der Verlag für den werblichen redaktionellen Text eine Gegenleistung erhalten hatte; dies ließ sich in der Praxis auch schwer beweisen. Ob diese Rechtsprechung in Bezug auf Printmedien Bestand hat, müssen nun ggf. weitere Gerichtsverfahren zeigen.
Der BGH hatte in seinen Urteilen (Az. I ZR 90/20; Az. 125/20; Az. 126/20) zu Influencer-Marketing festgehalten, dass § 5a Abs. 4 UWG nach Maßgabe der vorrangigen medienrechtlichen Spezialregelungen in § 6 TMG (jetzt DDG) und § 22 MStV dahingehend auszulegen ist, dass eine Kennzeichnungspflicht werblicher Posts nur bei einer Gegenleistung besteht.
Weiterführende Hinweise
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Medien und Verlage >>
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Digitale Welt >>
HH 03 0096/23
mb
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