Das LG Stuttgart hat in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale einem Lebensmittelhersteller untersagt, für pflanzliche Milchersatzprodukte die Angaben „Pflanzenmilck“, „Milckprodukte“ und „hemp milck“ zu verwenden (LG Stuttgart, Urteil vom 10.02.2022, Az. 11 O 501/21, nicht rechtskräftig).
Sachverhalt und Auffassung der Wettbewerbszentrale
Der Hersteller hatte auf seiner Internetseite seine veganen Milchersatzprodukte aus Hanf mit den genannten Angaben beworben, die den Begriff „milck“ enthalten. Daneben fanden sich die Angaben „Für [Produktname] melken wir Bio-Hanfsamen statt Kühe“. Die Wettbewerbszentrale sah in der klaren Anlehnung an den geschützten Begriff „Milch“ einen Verstoß gegen den absoluten Bezeichnungsschutz für Milchprodukte nach der Verordnung (EU) 1308/2013.
Urteilsbegründung
Das Gericht bestätigte die Auffassung der Wettbewerbszentrale und untersagte die unlautere Werbung nach Art. 78 Abs. 1 lit. c), Abs. 2 i.V.m. Anhang VII Teil III Nr. 6 Abs. 1 Verordnung (EU) 1308/2013, § 3a UWG aus den nachfolgenden Gründen:
Nach den genannten Vorschriften darf die Bezeichnung „Milch“ und „Milcherzeugnisse“ in der Union grundsätzlich nur für die entsprechenden Produkte tierischen Ursprungs verwendet werden. Nach Anhang VII Teil III Nr. 6 Abs. 1 der Verordnung darf nicht durch Etikett, Handelsdokumente, Werbematerial, Werbung irgendwelcher Art oder Aufmachung irgendwelcher Art behauptet oder der Eindruck erweckt werden, dass es sich bei dem betreffenden Erzeugnis um ein Milcherzeugnis handelt. So liege es aber hier.
Entscheidend sei nicht nur das Verständnis der Vegetarier und Veganer, sondern auch derjenigen Verbraucher, die Alternativprodukte ausprobieren, zu diesen wechseln und sich fortan ggf. sogar ausschließlich wählen sollen. Der Durchschnittsverbraucher erkenne unzweifelhaft, dass sich das Kunstwort „milck“ aus dem deutschen Wort „Milch“ und seiner englischen Übersetzung „milk“ zusammensetze. Da beide Wörter denselben Bedeutungsgehalt hätten, liege – entgegen der Auffassung der Beklagten – gerade keine Fantasiebezeichnung vor.
Bei einer derart minimalen Abweichung von den geschützten Bezeichnungen müsse der Bezeichnungsschutz greifen. Andernfalls bestünde eine erhebliche Umgehungsgefahr, die die gesetzgeberischen Ziele konterkarieren würde. In der Literatur werde das auch für weiter entfernte Assoziationen wie „Mozzarissella“ oder „Schedda“ bejaht.
Die beschreibenden Zusätze „Für [Produktname] melken wir Bio-Hanfsamen statt Kühe“ sowie die weitere Gestaltung der Webseite und der Produktverpackung und damit der Kontext der Werbung sei nach der EuGH-Entscheidung TofuTown (C-422/16) gerade nicht entscheidend. Die Ausnahme von dem Bezeichnungsschutz greife nur bei Bezeichnungen, die in Anhang I des Beschlusses 2010/791/EU aufgeführt seien (bspw. „Kokosmilch“, „Erdnussbutter“ und „Fleischkäse“).
Mit der Bezeichnung „Käse-Alternative“ seien die streitgegenständlichen Bezeichnungen nicht vergleichbar, weil sich hier bei isolierter Betrachtung der Bezeichnungen „Milckprodukte“, „hemp milck“ und Pflanzenmilck“ selbst noch nicht deren Andersartigkeit ergebe.
Durch diese unzulässige Werbung verschaffe sich die Beklagte einen nicht ganz unerheblichen Wettbewerbsvorsprung vor anderen Anbietern von Alternativprodukten für Milch, was sie auch selbst ausdrücklich bestätigt habe, indem sie ausgeführt habe, dass sie mit ihrem Kunstwort „im Wettbewerb mit anderen vegetarischen und veganen Produkten mehr Aufmerksamkeit von den angesprochenen Verbrauchern“ erlangen wolle.
An dem Wettbewerbsverstoß ändere auch die eingetragene Wortmarke „Milck“ der Beklagten nichts.
Az. F 8 113/21
tv
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater