Der Rechtsstreit um die Bezeichnung eines Lebensmittels mit der Angabe „zu verwenden wie Crème fraîche“ ist in erster Instanz zu Gunsten der Wettbewerbszentrale ausgegangen (LG Hamburg, Urteil v. 06.07.2018, Az. 315 O 425/17, nicht rechtskräftig). Der Beanstandung durch die Wettbewerbszentrale lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Unternehmen, nach eigenen Angaben einer der bedeutendsten Markenartikelhersteller der Welt, vertreibt eine Mischung aus pflanzlichen Fetten und Milch mit der Angabe „zu verwenden wie Crème fraîche“. Tatsächlich handelte es sich aber nicht um Crème fraîche. Diese muss nach der Milcherzeugnisverordnung über einen Fettgehalt von mindestens 30% verfügen und ausschließlich aus Milch oder Sahne bestehen. Das Produkt der Beklagten hatte einen Fettgehalt von 15%.
Irreführung und Bezeichnungsschutz für Milchprodukte
Die Wettbewerbszentrale hatte die Beschreibung des Produktes „zu verwenden wie Crème fraîche“ als irreführend nach § 5 Abs. 1 UWG beanstandet. Sie hatte argumentiert, dass der Verbraucher das Produkt in der Erwartung erwerbe, dass es sich um „Crème fraîche“ handle, allerdings mit einem reduzierten Fettgehalt. Den Zusatz „zu verwenden wie“ verstehe der Kunde dahingehend, dass er auch diese Crème fraîche mit dem vermeintlich reduzierten Fettgehalt wie die ihm geläufige Crème fraîche verwenden könne. Der Zusatz mache aber nicht deutlich, dass es sich um ein völlig anderes Produkt handle. Zudem beanstandete die Wettbewerbszentrale einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Spezialvorschriften, insbesondere die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (1308/2013/EU). Nach dieser Verordnung sind die dort angegebenen Bezeichnungen ausschließlich Milcherzeugnissen vorbehalten. Auch nach diesen Bestimmungen darf nach Auffassung der Wettbewerbszentrale ein Erzeugnis, das aus pflanzlichen Fetten und Milch besteht, nicht als „Crème fraîche“ bezeichnet werden.
Verbrauchererwartung: Creme fraîche mit reduziertem Fettgehalt
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2018 zeichnete sich bereits ab, dass aus Sicht der Richter eine irreführende Blickfangwerbung nach § 5 Abs. 1 UWG vorliege. Die Kammer teilte die Auffassung der Wettbewerbszentrale, dass der Verbraucher die Bezeichnung „zu verwenden wie Crème fraîche“ so verstehe, dass es sich um eine Crème fraîche mit einem reduzierten Fettgehalt handle. Das Argument der Gegenseite, der Verbraucher solle bei diesem neuen Produkt lediglich über die Verwendungsmöglichkeiten informiert werden, überzeugte die Richter anscheinend nicht.
Das LG Hamburg hat nun die Beklagte dazu verurteilt, die Bewerbung oder den Vertrieb des Produktes in der beanstandeten Aufmachung zu unterlassen. In seiner Urteilsbegründung führte das Gericht aus, der Verkehr werde annehmen, dass es sich bei dem Produkt tatsächlich um eine „Crème fraîche“ handle, die möglicherweise einen geringeren Fettanteil habe. Diese Irreführung werde auch nicht durch den Umstand beseitigt, dass das Produkt unter der Dachmarke „XXX Cremefine“ vermarktet werde. Selbst der Verbraucher, der das Zutatenverzeichnis zur Kenntnis nehme, werde getäuscht, weil er der Meinung sein könne, dass nunmehr auch ein Mischprodukt aus Milch und pflanzlichen Fetten als „Crème fraîche“ bezeichnet werden dürfe.
Der angesprochene Verkehr werde darüber hinaus in die Irre geführt, weil der Verbraucher zu Unrecht davon ausgehen könne, dass es sich bei dem Produkt um ein crème-fraîche-artiges Milchprodukt mit reduziertem Fettgehalt handle. Dass es sich bei dem Produkt um ein Gemisch aus Milch und pflanzlichen Fetten handelt, sei der blickfangartigen Angabe nicht zu entnehmen.
Auch hat das LG Hamburg einen Verstoß gegen Teil 3 des Anhangs VII der Verordnung (1308/2013/EU) bejaht. Eine nur für Milchprodukte zugelassene Bezeichnung dürfe nicht für Mischprodukte verwendet werden. Hierbei bezog sich das Gericht auf die „Pflanzenkäse“- Entscheidung des Landgerichts Trier (Urteil vom 24.03.2016, Az. 7 HK O 58/16).
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Wettbewerbszentrale erwartet, dass die Gegenseite gegen das Urteil Berufung einlegen wird.
Die Wettbewerbszentrale führt aktuell mehrere Verfahren gegen Hersteller (rein) pflanzlicher Produkte, die diese unter Phantasiebezeichnungen in Verbindung mit durch die Verordnung (1308/2013/EU) geschützten Bezeichnungen vermarkten (u.a. zu „Butter“ und „Butterschmalz“).(HH 4 0266/17)
Weiterführende Informationen
Ähnliche Entscheidungen im Angebot der Wettbewerbszentrale (Log-in erforderlich)
EuGH, Urteil v. 14.06.2017, Rs. C-422/16 >>
ck/hg
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