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LG Frankfurt untersagt irreführende Werbung für Ferngutachten

Die Wettbewerbszentrale hat vor dem Landgericht Frankfurt ein Anerkenntnisurteil gegen einen Anbieter von Unfallgutachten erstritten. Damit wird dem Unternehmen untersagt, für die Erstellung von Kfz-Unfallgutachten zu werben mit der Behauptung, dass diese anhand von Fotos der Kunden erstellt werden (LG Frankfurt am Main, Anerkenntnisurteil vom 22.03.2024, Az. 3-10 O 593/23, nicht rechtskräftig). Die Gutachten, direkt zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung, sollten nur auf Grundlage von Fotos „in wenigen Klicks (…) ohne Termine vor Ort“ erstellt werden.

Diese Werbung war nach Auffassung der Wettbewerbszentrale irreführend, denn diese Art von Schadenskalkulation ist nicht uneingeschränkt verwertbar und zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung geeignet. Nach Ansicht der Wettbewerbszentrale erwarteten Kunden jedoch aufgrund der Werbung ein uneingeschränkt verwertbares Kfz-Unfallgutachten. Die Beklagte verschaffe sich damit einen wettbewerbswidrigen Vorteil gegenüber anderen Sachverständigen. Sie hat die Ansprüche nun anerkannt.

Eigene Wahrnehmungen des Sachverständigen entscheidend

Regelmäßig werben KFZ-Gutachter für sog. Ferngutachten, die bloß auf Grundlage von digital zur Verfügung gestellten Fotos, Videos oder anderen Daten erstellt werden. Das Fahrzeug hat der Gutachter aber nie persönlich gesehen. Deshalb müsste er sich auf die Bilder des Kunden verlassen.  

Gutachten, die nicht auf den eigenen Wahrnehmungen des Sachverständigen beruhen, bieten Angriffsfläche für die gegnerische Versicherung, der die Kunden das Gutachten zum Zwecke der Schadensabwicklung vorlegen wollen. 

Bei der Erstellung eines Kfz-Unfallgutachtens gilt jedoch die Pflicht zur persönlichen Inaugenscheinnahme des Sachverständigen – die sog. Schadensaufnahme. Diese Pflicht gilt nicht nur für öffentlich bestellte und vereidigte, sondern auch für andere Sachverständige. 

Zweck dieser Pflicht ist es, dass der Sachverständige aufgrund seiner Fachkenntnis versteckte Schäden erkennen und auf Grundlage seiner persönlichen Wahrnehmung begutachten kann. Diese Kernpflicht darf grundsätzlich nicht an Dritte delegiert werden, also auch nicht an die Kunden. 

Sachverständigengutachten müssen in allen wesentlichen Teilen auf den persönlichen Feststellungen des Sachverständigen beruhen (höchstpersönliche Leistungserbringung). Nur unter diesen Voraussetzungen kann ein Unfallgutachten auch als Privatgutachten im Zivilprozess genutzt werden und der Sachverständige als (sachverständiger) Zeuge angehört werden. 

Die sog. Ferngutachten oder Live-Gutachten – „ohne Termine vor Ort“ 

Mit fortschreitender Digitalisierung entstehen auch neue Herausforderungen für die Sachverständigenbranche, in der auch Video-Verfahren oder Live-Systeme bereits eingesetzt werden. Anders als bei Unfallgutachten geht es dabei jedoch um ein Kalkulations-Tool als zusätzliche Dienstleistung im Rahmen der Schadensregulierung zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer.  

Bei Unfallgutachten zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung ist hierbei daher weiterhin Vorsicht geboten: Hat der Sachverständige das Fahrzeug nie persönlich gesehen, kann die gegnerische Versicherung das Gutachten anzweifeln. 

Spannend bleibt dennoch die Entwicklung dieses Tätigkeitsfeldes, auch unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Es wird sich zeigen, wie KI in diesen Prozess implementiert werden kann und wie sich die Praxis der Unfallgutachten entwickelt.  

Weiterführende Informationen

News der Wettbewerbszentrale vom 29.9.2021 // „Gutachter-vor-Ort“ – Schadenaufnahme durch Autohausmitarbeiter via App und Provisionszahlungen gerichtlich verboten! >>

md

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