Home News Landgericht Mannheim: Werbung für einen Desinfektionsschaum mit „Hautverträglichkeit“ ist keine unzulässige Verharmlosung

Landgericht Mannheim: Werbung für einen Desinfektionsschaum mit „Hautverträglichkeit“ ist keine unzulässige Verharmlosung

In einem Verfahren der Wettbewerbszentrale hat das Landgericht Mannheim die Auffassung vertreten, dass eine Werbung für einen Desinfektionsschaum mit Hinweisen auf seine Hautverträglichkeit oder Hautfreundlichkeit zulässig ist

In einem Verfahren der Wettbewerbszentrale hat das Landgericht Mannheim die Auffassung vertreten, dass eine Werbung für einen Desinfektionsschaum mit Hinweisen auf seine Hautverträglichkeit oder Hautfreundlichkeit zulässig ist (Landgericht Mannheim, Urteil vom 20.10.2021, AZ 14 O 107/21, nicht rechtskräftig).

Das Unternehmen hatte für das Desinfektionsmittel unter anderem mit Aussagen geworben, dass das Produkt „sanft zur Haut“ und eine „hautfreundliche Produktlösung“ sei und Konsumenten die „Hautverträglichkeit“ bestätigten.

Die Wettbewerbszentrale hatte das als Verstoß gegen Artikel 72 Absatz 3 Satz 2 Biozidverordnung beanstandet. Desinfektionsmittel, die wie das Produkt der Beklagten Viren oder Bakterien entfernen sollen, sind sogenannte Biozide. Die Biozidverordnung regelt mit Artikel 72 Absatz 3 Biozidverordnung die Werbung für derartige Produkte: Es werden per se unzulässige Angaben ausdrücklich genannt wie zum Beispiel „ungiftig“, „unschädlich“, darüber hinaus sind aber auch „ähnliche Hinweise“ unzulässig. Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass es sich bei Bioziden um Produkte handelt, die Schädlinge abtöten, damit aber auch negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können. Die Produkte sollen deshalb in der Werbung nicht verharmlost werden.

Das Unternehmen vertrat hingegen die Auffassung, die Werbung hebe in zulässiger Weise eine zutreffende Eigenschaft des Produktes hervor. Die von der Wettbewerbszentrale eingereichte Klage wies das Landgericht nun in erster Instanz ab.

Nach Auffassung des Landgerichts sind die beanstandeten Werbeaussagen keine „ähnlichen Hinweise“. Sie griffen allesamt eine konkrete Produktwirkung auf ein spezifisches Organ des Menschen (Haut) heraus. Einen mit den ausdrücklich verbotenen Hinweisen vergleichbaren Generalisierungsgrad, der das Risikopotenzial des Biozid-Produktes verallgemeinernd in Abrede stelle, erreichten sie nicht. Auch seien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Aussagen generell unwahr seien und damit gegen Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 Biozidverordnung verstießen.

Die Wettbewerbszentrale wird gegen das Urteil Berufung einlegen. Unklar ist in vielen Fällen, welche Aussagen in der Werbung den explizit verbotenen „ähnlich“ sind, wie eine abweichende Entscheidung des LG Karlsruhe zeigt.

Abweichende Entscheidung des LG Karlsruhe

Dieses hatte die Bezeichnungen „hautfreundlich“ und „bio“ als irreführend eingestuft (LG Karlsruhe, Urteil vom 25.03.2021, AZ 14 O 61/20, nicht rechtskräftig), weil beide Begriffe nach Auffassung des Gerichts den Eindruck einer Umwelt- oder Hautfreundlichkeit erweckten, wie es sie bei einem Produkt, dessen Zweck es sei, Mikroorganismen abzutöten, nicht geben könne. Im Übrigen hat die Kammer auch einen Verstoß gegen Art. 72 Abs.3 Biozidverordnung gesehen. Die Gegenseite hat gegen die Entscheidung Berufung beim OLG Karlsruhe eingelegt (OLG Karlsruhe, Az 6 U 95/21).

Die Wettbewerbszentrale will mit diesen Verfahren eine Klärung für Unternehmer erreichen, wo die Grenzen der Zulässigkeit von Werbeaussagen für Biozidprodukte verlaufen.

Weiterführende Informationen

Pressemitteilung v. 16.09.2020 // Wettbewerbszentrale beanstandet Werbung für Desinfektionsmittel >>

News v. 14.07.2021 // Wettbewerbszentrale lässt Werbung für Biozidprodukt mit „hautfreundlich“ gerichtlich überprüfen – aktuell Klage wegen Werbung für Desinfektionsschaum eingereicht >>

F 4 0214/21; F 4 0289/20
ck

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