Werbeaussagen in Bezug auf Kosmetikprodukte müssen zwar durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden können, aber nicht zwingend als wissenschaftlich gesichert anzusehen sein. Dies geht aus einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor (Urteil vom 28.01.2016, Az. I ZR 36/14 – Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir). Der Senat hat sich darin eingehend zu den Anforderungen geäußert, die an die Belegbarkeit von Wirkaussagen für kosmetische Mittel zu stellen sind.
Zwischen den Parteien – beide Hersteller von Nassrasierern mit Wechselklingen – bestand Streit darüber, ob von dem Pulver, das sich bei den Nassrasierern der Beklagten in einem Behälter oberhalb der Klingen befindet und sich beim Gebrauch mit Wasser zu einem Gel verbindet, eine länger anhaltende feuchtigkeitsspendende Wirkung für die rasierte Haut ausgeht. Auf diese hatte die Beklagte in der Werbung hingewiesen, z. B. mit Aussagen wie „spendet direkt Feuchtigkeit“. Der Kläger hatte diese Aussagen als wettbewerbswidrig erachtet und u.a. Unterlassung begehrt.
Das Landgericht Köln hatte der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten war ohne Erfolg geblieben. Das OLG Köln sah den Nachweis für die feuchtigkeitsspendende Wirkung des Gels als nicht erbracht an. Es hatte sich für den Nachweis der Richtigkeit der Werbeangaben an den Grundsätzen über die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Aussagen orientiert und festgestellt, dass eine aktive Feuchtigkeitszufuhr aus dem Gel in die Haut nicht als wissenschaftlich gesichert anzusehen sei (OLG Köln, Urteil vom 31.01.2014, Az. 6 U 119/12).
Dieses Beweismaß hält der BGH für zu streng. Im Hinblick auf die Anforderungen in Nr. 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 >> müssten Werbeaussagen über kosmetische Mittel (lediglich) durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, wobei neben Sachverständigengutachten auch andere Arten von Nachweisen herangezogen werden könnten, sofern diese Nachweise den Stand der Technik berücksichtigten. Der BGH weist darauf hin, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht verlangt werden könne, dass die Werbeaussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen seien. Er hat daher den Fall an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das OLG Köln wird nun unter Berücksichtigung dieses weniger strengen Beweismaßes die Werbeaussagen neu beurteilen müssen.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 >> über kosmetische Mittel. Nach dieser Vorschrift dürfen bei der Kennzeichnung, der Bereitstellung auf dem Markt und der Werbung für kosmetische Mittel keine Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen. Es handelt sich um einen besonderen Aspekt irreführender und damit unlauterer Geschäftspraktiken, der nach Auffassung des BGH dem generellen Irreführungsverbot des § 5 UWG vorgeht. Darüber hinaus stellt diese Vorschrift eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG dar.
Flankiert wird die Kosmetikverordnung durch die Verordnung (EU) Nr. 655/2013 „zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln“ >>. Im Anhang enthält die Verordnung unter anderem Vorgaben zur Belegbarkeit und Nachweisbarkeit von Werbeaussagen für kosmetische Mittel.
Weiterführende Informationen:
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Kosmetik >>
Jahresbericht 2014 der Wettbewerbszentrale >>
ck
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater