Der BGH hat dem EuGH Fragen zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Euro5/6-VO (715/2007/EG) vorgelegt (Beschluss v. 21.06.2018, Az. I ZR 40/17 – Ersatzteilinformation). Er möchte wissen, ob die nach dieser Vorschrift den unabhängigen Marktteilnehmern zu gewährenden Informationen in elektronisch weiterzuverarbeitender Form bereitzustellen seien und wie weit das in dieser Vorschrift geregelten Diskriminierungsverbots reiche.
Geklagt hatte ein Branchenverband des Großhandels für Kraftfahrzeugteile gegen einen Kraftfahrzeughersteller. Die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge erhalten eine Fahrzeugidentifikationsnummer, unter welcher in einer Datenbank die im betreffenden Fahrzeug verbauten Komponenten gespeichert werden. Die Datenbank wird von einem mit der Beklagten konzernverbunden Unternehmen unterhalten. Die Daten können gegen Entgelt über ein Internetportal sowohl von mit der Beklagten vertraglich verbundenen Reparaturbetrieben als auch von unabhängigen Marktteilnehmern eingesehen werden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte ihm und seinen Mitgliedern über einen bloßen Lesezugriff per Einzelabruf hinaus, elektronischen Zugriff auf den mit den Fahrzeugidentifikationsnummern verknüpften Datenbestand gewähren müsse. Seine Klage vor dem LG Frankfurt a. M. hatte Erfolg (Urteil v. 21.01.2016, Az. 2-3 O 505/13), aber auch die Berufung der Beklagten war erfolgreich (OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 23.02.2017, Az. 6 U 37/16). Im Rahmen der Revision der Klägerin legte nun der BGH dem EuGH die oben genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Nach den Ausführungen des BGH hänge der Erfolg der Revision von der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Euro5/6-VO (715/2007/EG) ab.Die Klage sei gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG begründet, wenn die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 3a UWG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 S. 1 Euro5/6-VO vorliegen.
Bei Art. 6 Abs. 1 S. 1 Euro5/6-VO handle es sich um eine Marktverhaltensregel.
Fraglich sei, ob die von der Beklagten gewählte Art der Informationsbereitstellung den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Euro5/6-VO entspreche, also ob die Beklagte mithilfe eines standardisierten Formats uneingeschränkten und standardisierten Zugang gewähre. Dabei sei wiederum fraglich, ob die Beklagte die den unabhängigen Marktteilnehmern zu gewährenden Informationen in elektronisch weiterverarbeitbarer Form bereitstellen müsse. Dabei dürfte nach Ansicht des BGH die Bereitstellung eines Lesezugriffs auf einer Homepage das Erfordernis des standardisierten Formats erfüllen. Es fehle jedoch an einer eindeutigen Regelung zur Art und Weise der Informationsbereitstellung, sodass hinreichende Auslegungszweifel hinsichtlich des Sinn und Zwecks der Regelung des Art. 6 Abs. 1 Euro5/6-VO bestünden.
Hinsichtlich der Reichweite des in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Euro5/6-VO vorgesehenen Diskriminierungsverbots sei klärungsbedürftig, ob eine verbotene Diskriminierung unabhängiger Marktteilnehmer vorliege, wenn ein Hersteller durch Einschaltung eines Informationsdienstleisters einen weiteren Informationskanal für den Vertrieb von Original-Ersatzteilen durch autorisierte Händler und Reparaturbetriebe eröffne. Dazu ist der BGH der Auffassung, dass sich das Diskriminierungsverbot darin erschöpfe, unabhängigen Marktteilnehmern den gleichen Zugang zu Informationen zu gewährleisten wie autorisierten Händlern und Reparaturbetrieben und die Einschaltung eines Informationsdienstleisters eine neutrale Maßnahme der Vertriebsorganisation darstelle.
Weiterführende Informationen
Urteil im Volltext aus der Rechtsprechungsdatenbank des Bundesgerichtshofs >>
Entscheidung der Vorinstanzen im Angebot der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 21.01.2016, Az. 2-03 O 505/13 >>
OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 23.02.2017, Az. 6 U 37/16 >>
lk/ao
Weitere aktuelle Nachrichten
-
Wettbewerbszentrale setzt Werbekennzeichnung im Influencer-Marketing durch
-
OLG Hamm: Unternehmen haftet für Fehler in Google Shopping-Anzeige
-
BMJ veröffentlicht Diskussionsentwurf zur Umsetzung der EmpCo-Richtlinie – Werbung mit Green Claims wird reguliert
-
Wettbewerbszentrale beanstandet Verlängerung einer zeitlich begrenzten Rabattaktion eines Online-Möbelhändlers als wettbewerbswidrig
-
BGH schafft Klarheit: Verkauf von Dekoartikeln durch Gartencenter an Sonntagen ist zulässig