In dem Rechtsstreit vor dem OLG Frankfurt a. M. geht es um die Frage, ob der Hustensaft „Mucosolvan Complete Phyto“ als Arzneimittel oder Medizinprodukt einzustufen ist. Die Beklagte vertreibt den Hustensaft als „Medizinprodukt“; sie verfügt nicht über eine Arzneimittelzulassung. Das OLG Frankfurt a. M. kommt zu dem Ergebnis, dass der Hustensaft als sogenanntes Präsentationsarzneimittel einzuordnen ist, für das eine Zulassung erforderlich sei (Urteil v. 22.5.2020, Az. 6 U 23/20). Der Beklagte hat es daher zu unterlassen, den Hustensaft als Medizinprodukt in Verkehr zu bringen.
Behördliche Erlaubnis
Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass der Vertrieb des Hustensaftes als Medizinprodukt von einer behördlichen Erlaubnis gedeckt sei. Der von ihr vorgelegte Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sei teilweise geschwärzt. Die maßgeblichen Passagen zur Beurteilung der Reichweite des Bescheids, insbesondere des Vorliegens eines so genannten Präsentationsarzneimittels, seien nicht lesbar gewesen.
Präsentationsarzneimittel
Ein Produkt sei als Präsentationsarzneimittel einzuordnen, wenn ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher den Eindruck habe, dass das Produkt aufgrund seiner Bezeichnung oder Aufmachung Arzneimitteleigenschaften aufweise. Dazu müsse der Verbraucher davon ausgehen, dass das Produkt menschliche Krankheiten heile, lindere oder verhüte. Es komme nicht darauf an, ob das Produkt die zugeschriebenen Wirkungen tatsächlich habe, sondern nur auf die Ansicht der Verbraucher. Für die Erweckung dieses Eindrucks komme es u. a. auf die Darreichungsform, Dosierung, Primärverpackung, äußere Umhüllung sowie den Vertriebsweg an. Die Vorstellung des Verbrauchers von den zugeschriebenen Wirkungen könne auch durch die Auffassungen der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein sowie durch Indikationshinweise oder Gebrauchsanweisungen. Nicht erforderlich sei die ausdrückliche Bezeichnung als Arzneimittel für die Einstufung als Präsentationsarzneimittel.
Präsentation des Hustensafts
Es werde hier der Eindruck erweckt, dass der Hustensaft Krankheiten heilen und lindern könne. „Die Formulierung „bei trockenem Husten und Husten mit Schleim, beruhigt den Hustenreiz und löst zusätzlich den Schleim“ lasse den Verkehr erwarten, dass die Krankheit Husten gelindert wird,“ begründet das Oberlandesgericht. Dabei sei es auch von Bedeutung, dass dem Verkehr die anderen unter der Dachmarke der Beklagten vermarkteten Produkte als zugelassene, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bekannt seien.
Erläuterung Arzneimittelbegriff
Der Begriff „Arzneimittel“ ist in § 2 des Arzneimittelgesetzes definiert. Darin werden zwei Arten von Arzneimitteln unterschieden:
– Arzneimittel, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Sie werden auch als Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach der Bezeichnung) bezeichnet.
– Arzneimittel, die durch ihre Wirkung Einfluss auf physiologische Funktionen (z.B. Herzschlag, Atmung, Wachstum, Verdauung, etc.) nehmen. Sie werden auch als Funktionsarzneimitteln bezeichnet.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des OLG Frankfurt a. M. >>
Aus dem Datenbankangebot der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
Zur Einordnung von Nasentropfen als Präsentationsarzneimittel im Gegensatz zum stofflichen Medizinprodukt, OVG Münster, Urteil v. 26.09.2019, Az. 13 A 3290/17 >>
cb
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