Das OLG Hamm hat einem Friseur untersagt, mit Aussagen wie „Haarsprechstunde bei Haarausfall und Kopfhaut-Problemen“ oder mit der Spezialisierung auf die Diagnose und Therapie von verschiedenen Arten von Haarausfall und Kopfhaut-Problemen zu werben (OLG Hamm, Anerkenntnisurteil vom 16.06.2020, Az. I 4 U 13/20). Die Wettbewerbszentrale hatte die Aussagen als irreführend beanstandet, war aber zunächst vor dem Landgericht Essen mit ihrer Klage erfolglos. Das OLG Hamm wies die Gegenseite mit Beschluss vom 05.05.2020 darauf hin, dass die Berufung der Wettbewerbszentrale in der Sache Erfolg haben werde. Die Gegenseite erkannte den Unterlassungsanspruch daraufhin an, so dass nun ein Anerkenntnisurteil erging.
Begrifflichkeiten aus dem medizinischen Bereich
Das OLG Hamm erläuterte in seinem Hinweisbeschluss, dass die Werbung irreführend sei. Die Verwendung einer Vielzahl von Begrifflichkeiten aus dem medizinischen Bereich sei so zu verstehen, dass der Beklagte Leistungen anbiete, die weit über das Angebot eines Friseurs hinausgingen und dem Bereich einer medizinischen Beratung – zum Beispiel durch einen Hautarzt – zugeordnet würden. Unstreitig verfüge der Beklagte aber nicht über die Befähigung zu einer derartigen medizinischen Beratung oder Betreuung.
Vorsicht bei Werbung mit medizinischen Tätigkeiten
Es handelt sich bei dem vor dem OLG Hamm verhandelten Fall nicht um einen Einzelfall. Auch in anderen Branchen werden die vom Heilpraktikergesetz gezogenen Grenzen zumindest werblich überschritten. Die Gesetzeslage ist eindeutig: Heilkunde darf außer dem Arzt nach § 1 des Heilpraktikergesetzes nur der Heilpraktiker mit der entsprechenden Erlaubnis ausüben. Das Heilpraktikergesetz definiert die Heilkunde als „jede berufs- und gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.“ Wer unerlaubt Heilkunde ausübt verstößt nicht nur gegen das Heilpraktikergesetz, sondern handelt auch wettbewerbswidrig nach § 3a UWG. Wer die Vorgaben des Heilpraktikergesetzes beachtet, aber medizinische Tätigkeiten ankündigt (die er tatsächlich nicht ausüben darf), wirbt irreführend nach § 5 UWG.
Privatpraxis eines Sportwissenschaftlers
In einem weiteren Verfahren der Wettbewerbszentrale hat daher das Landgericht München einem promovierten Sportwissenschaftler, der weder Arzt noch Heilpraktiker ist, untersagt, für eine „Private Sprechstunde“, seine „Privatpraxis“, für „Diagnostik-Beratung-Behandlung“ und ähnliche Leistungen zu werben (LG München I, Urteil vom 24.04.2020, Az. 39 O 15436/19). Auch hier stellte das Gericht bei seiner Beurteilung auf die Gesamtgestaltung der Werbung ab. So sei z. B. der Begriff „Sprechstunde“ nicht üblich für die reine Tätigkeit eines Physiotherapeuten. Zwar könne – so das Gericht – dem Beklagten nicht untersagt werden, seinen Doktortitel (Doktor der Sportwissenschaften) zu verwenden. In Kombination mit den Begriffen „Private Sprechstunde“, „Privatpraxis“ und „Sportmedizin“ deute dieser Doktortitel jedoch bei Laien auf eine medizinische Promotion hin und damit auf einen Arzt, der eben eine „Privatpraxis“ betreibe. Dagegen war die Wettbewerbszentrale erfolglos, soweit sie ein Verbot der Ausübung der Tätigkeiten durchsetzen wollte. Denn der Beklagte hatte vorgetragen, dass er entgegen seiner Werbung keine Heilkunde ausübe.
„Medizinische“ Kosmetikerin
Auch gegen den Begriff der „medizinischen Kosmetikerin“ ist die Wettbewerbszentrale bereits häufiger vorgegangen. Er erweckt nach ihrer Auffassung den Eindruck, Kosmetikerinnen könnten (auch) medizinisch tätig werden. So hat das Landgericht Frankfurt Bezeichnungen für ein Kosmetikstudio als „Medical Beauty Lounge“ oder die Bezeichnung kosmetischer Behandlungen als „medizinische Therapie“ und den Begriff „Medizinkosmetikerinnen“ als irreführend untersagt (LG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2019, Az. 3 06 O 102/18).
Derzeit ist ein weiterer Prozess der Wettbewerbszentrale vor dem Landgericht München I (Az. 33 O 786/20) anhängig, in dem es um die Bezeichnung von Kosmetikerinnen als „medizinische Kosmetikerin“ im Internetauftritt einer Hautarztpraxis geht. Auch dies hat die Wettbewerbszentrale als irreführend beanstandet, weil nach ihrer Auffassung der Eindruck erweckt wird, die Angestellten besäßen eine Qualifikation, die sie berechtige, über die pflegende oder dekorative Kosmetik hinaus auch medizinische Behandlungen durchzuführen oder durchführen zu dürfen. Die mündliche Verhandlung in dieser Sache findet am 27.10.2020 statt.
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Kosmetik >>
ck
(F 4 0203/19, F 4 0280/19 und F 4 0411/19)
Weitere aktuelle Nachrichten
-
OLG Frankfurt a. M. untersagt „Anti-Kater“-Werbung für Mineralstofftabletten
-
Rückblick: Konferenz „Wettbewerb, Nachhaltigkeit & Recht“
-
Rückblick: „Jura in der Praxis“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
-
Rückblick: Internationaler Kongress der Liga in London
-
Landgericht Mainz zur Assoziation von „After Party Shots“ mit einem Alkoholkater