Aufgrund einer Klage der Wettbewerbszentrale hat das LG Gießen (Versäumnisurteil vom 21.05.2021, Az. 6 O 13/21) einem Unternehmen und dessen Geschäftsführern, welche die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten im B2B-Bereich mit Bezeichnungen wie „Gutachter-vor-Ort“ anboten, dies mit rechtskräftigem Urteil verboten, wenn für die Erstellung von solchen Gutachten ein Sachverständiger zur Schadensbesichtigung und -dokumentation nicht anwesend ist.
Die Beklagten warben auf ihrer Internetseite für die Erbringung von Sachverständigenleistungen, gerichtet an Autohäuser und Werkstätten, für die Nutzung einer App, mit der eine Schadenaufnahme durchgeführt werden kann. Das konkrete Angebot gestaltete sich unter anderem wie folgt:
Kurz zusammengefasst beinhaltet das Werbekonzept folgendes: Auf ihrer Internetseite boten die Beklagten eine „Kfz-Unfallgutachter App“ an, die im Google-Playstore zum Download bereitgehalten wurde. Diese App kann auf Smartphones und Tablets heruntergeladen und dort ausgeführt werden. Der Anwendungsbereich umfasst die Schadensabwicklung von Kfz-Schäden in Werkstätten. Die App soll der Vereinfachung und Beschleunigung der Gutachtenerstellung im Hinblick auf die Schadenaufnahme dienen. So nimmt der Mitarbeiter einer Reparaturbetriebes mittels der App den Schaden in Form von Fotos, Videos und Beschreibungen auf und sendet das Datenmaterial an die Beklagte wo dann ein Schadengutachten erstellt wird.
Das Besondere an diesem (unzulässigen) Geschäftsmodell ist, dass der das Gutachten erstellende Kfz-Sachverständige das beschädigte Fahrzeug nicht persönlich in Augenschein genommen hat.
Im Sachverständigenwesen gilt jedoch der Grundsatz der höchstpersönlichen Leistungserbringung. Eine solche umfasst vor allem: Der Sachverständige muss eine persönliche Inaugenscheinnahme leisten. Denn diese ist die Grundlage seiner Sachverständigentätigkeit und kann nicht an x-beliebige Dritte delegiert werden in der Form, dass solche Personen via App eine Schadenaufnahme fabrizieren. Die Wettbewerbszentrale hatte daher die Werbung mit der Bezeichnung „Gutachter-vor-Ort“ als irreführend moniert, weil der das Gutachten erstellende Sachverständige gerade nicht vor Ort ist.
Außerdem hat das Gericht auch noch die Provisionszahlungen und die einzelnen Werbeaussagen dazu verboten, die als Gegenleistung für die Erstellung von Kfz-Schadensgutachten mittels Verwendung der App „Gutachter-vor-Ort“ versprochen werden, so unter anderem
- „Innerhalb von 20 Minuten* ca. 310 €** für Ihren Kfz-Betrieb“
- „Circa 310,- €** für 20 Minuten* Aufwand“
- „Nach Zahlungseingang wird das Honorar zwischen Ihnen und uns zu gleichen Teilen aufgeteilt (…)“
- „Mithilfe unserer Gutachter-vor-Ort App erhöhen Sie in nur 20 Minuten* Ihre Marge durch ein Gutachterhonorar“
- „Auftrag absenden und an jedem Gutachten 310 € und mehr verdienen“
- „Sie erhalten50% des Kfz-Gutachtenhonorars. Im Schnitt sind es 310,- €** pro Auftrag und mehr …“
- „… und Sie erhalten dazu noch die Hälfte des Gutachter Honorars“.
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M 1 0329/20
ao
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