„In der Wirtschaft herrscht große Rechtsunsicherheit mit Blick auf die künftigen Werbemöglichkeiten nach der bevorstehenden Abschaffung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung.“ Dies erklärte Dr. Reiner Münker, Hauptgeschäftsführer der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs anlässlich der Jahrestagung der Wettbewerbszentrale am 15. Mai 2001 in Bad Homburg. Da beide Gesetze nur ein Ausschnitt der sogenannten Wertreklame darstellen und Vorteilszuwendungen an die Verbraucher – sei es in Form von Zugaben, gekoppelten Angeboten oder in Form von Rabatten – auch künftig an den weiterbestehenden Regeln des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerbs (UWG) gemessen werden, sei unklar, wie die Rechtsprechung in Zukunft solche Anlockmittel werten werde.
Die Wettbewerbszentrale geht davon aus, dass der gesamte Bereich der Werbegeschenke deutlich liberaler werden wird. Die Unternehmen werden mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben. Nach Abschaffung beider Gesetze werde aber das Gebot der Preistransparenz für die Verbraucher umso wichtiger. Sie müssten durch korrekte und ausreichende Angaben zur Werthaftigkeit der Bonusvorteile in die Lage versetzt werden, die Günstigkeit von Rabatt- und Prämiensysteme ohne großen Aufwand zu beurteilen. Ebenso würden die strukturellen Auswirkungen derartiger Kundenbindungssysteme am Markt beobachtet werden müssen: Komme es zu Marktabschottungswirkungen durch konzernübergreifende Kundenkartensysteme, die die Verbraucher von den Wettbewerbern fern hielten, werde die Rechtsprechung entsprechende Grenzen für diese Behinderung des Wettbewerbs ziehen müssen, so Münker.
Weitere Rechtsunsicherheiten und großer Informationsbedarf entstehen laut Münker durch die europäische Werberechtspolitik der Europäischen Kommission. Mit der Einführung des Herkunftslandprinzips beim Internet-Handel komme für ausländische Anbieter auf dem deutschen Markt nicht mehr deutsches Recht zur Anwendung, sondern nur noch das Recht des Auslandsstaates. Wettbewerber und Verbraucher finden bei unlauteren und irreführenden Werbemethoden im Internet keinen Schutz mehr im UWG. Zu wissen, wie die Spielregeln allerdings im Heimatland des ausländischen Anbieters, in Spanien, Frankreich, England oder sonst in der EU aussehen, stelle für die deutschen Anbieter eine Überforderung dar.
Die zunehmenden Unsicherheiten und Informationsbedürfnisse der Wirtschaft spiegeln sich auch in der Arbeit der Wettbewerbszentrale im vergangenen Jahr wider: Während die Zahl der Beschwerdefälle um etwa 5 % auf immerhin noch 21.491 zurückgegangen sei, seien die Anfragen nach Beratung und Information in allen Fragen des Wettbewerbsrechts deutlich angestiegen.
Während die Beschwerden in Sachen Zugaben und Rabatte bereits im vergangenen Jahr zurückgegangen seien, hätten insbesondere die Eingaben wegen belästigender Telefaxwerbung und E-mail-Werbung zum Teil dramatisch zugenommen, betonte Münker. Eklatant sei der nach wie vor hohe Anteil an Beschwerden wegen Irreführung über Preise und Beschaffenheit von Waren und Dienstleistungen. Gerade in den liberalisierten Märkten Telekommunikation, Strom und Krankenkassen werde im neuen Wettbewerb mit harten Bandagen und nicht immer fair gekämpft. Mit zum Teil unübersichtlichen, kaum zu durchschauenden Tarif- und Gebührenstaffeln machten sich die Wettbewerber nur zu gern untereinander schwer vergleichbar. Die Zentrale habe öfter einschreiten müssen, weil partielle Gebührenvorteile plakativ beworben worden seien, ohne tatsächlich entstehende Zusatzkosten für den Verbraucher auszuweisen.
Insgesamt habe die Wettbewerbszentrale etwa 10.500 Abmahnverfahren einleiten müssen, von denen die überwiegende Zahl gütlich durch Unterlassungerklärung der Werbenden beendet werden konnte. In 840 Fällen hat die Zentrale Gerichtsverfahren eingeleitet, um die betreffenden Unternehmen zur Unterlassung zu zwingen.
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