Die Wettbewerbszentrale hat der EU-Kommission ihre Stellungnahme >> zur geplanten Green Claims Richtlinie übermittelt: Sie unterstützt zwar vollumfänglich die verfolgten Ziele, sieht aber das Regelwerk – insbesondere den Paradigmenwechsel zu einem Verbot von Umweltaussagen, die nicht vorab zertifiziert sind – gleichwohl kritisch. Irreführende und intransparente Umweltaussagen sind bereits derzeit nach der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) verboten. Daher stellt sich bereits die Frage nach der Erforderlichkeit der vorgeschlagenen Regelungen.
Konsequenzen der geplanten Richtlinie aus Sicht der Wettbewerbszentrale
In ihrer Stellungnahme arbeitet die Wettbewerbszentrale die Konsequenzen der Green Claims Richtlinie für werbende Unternehmen heraus. Sie legt im Einzelnen dar, warum Unternehmen – trotz kostenintensiver Zertifizierung – nach den vorgeschlagenen neuen Regelungen nicht darauf vertrauen können, dass ihre umweltbezogenen Werbemaßnahmen als regelkonform betrachtet werden. Hinzu kommt, dass durch abweichende Regelungen desselben Sachverhalts in verschiedenen Richtlinien Wertungswidersprüche auftreten. Nach ihrer Auffassung führt die Green Claims Richtlinie daher nicht zu mehr Rechtssicherheit, sondern zu Rechtsunsicherheit, einem bürokratischen und finanziellen Mehraufwand für werbende Unternehmen und dem neuen Risiko eines Bußgeldes.
Die Wettbewerbszentrale befürchtet, dass dies vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen dazu führen wird, dass sie aus Kostengründen und wegen Haftungsrisiken zu Umweltwirkungen schweigen werden (sog. Green Hushing). Dies schwächt den Innovationswettbewerb um umweltschützende Alternativen und führt außerdem dazu, dass Verbrauchern in Zukunft wichtige Informationen zu Umweltauswirkungen von Produkten für die Kaufentscheidung fehlen.
Hintergrund
Die EU-Kommission hatte am 22.03.2023 den Entwurf einer Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (COM(2023) 166 final) (Green Claims Richtlinie) veröffentlicht. Dieser sieht zur Verhinderung von Greenwashing eine strengere Regulierung von freiwilligen Umweltaussagen vor. So müssen Unternehmen, die mit Umweltaussagen werben wollen, zukünftig zuvor ein Zertifizierungsverfahren bei einer akkreditierten Prüfstelle durchlaufen. Auch Sanktionen bei Verstößen gegen die neuen Vorschriften werden im Gesetzesentwurf geregelt. Für weitere Informationen zur Green Claims Richtlinie siehe die News vom 23.03.2023 >>.
Bereits ein Jahr zuvor, am 30.03.2022, hatte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf vorgelegt, mit dem eine Anpassung der UGP-Richtlinie und der Verbraucherrechterichtlinie bezweckt wird (Vorschlag für eine Richtlinie hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, COM(2022) 143 final). Siehe dazu die News vom 14.04.2022 „Geplante Änderungen der VRRL und UGP-Richtlinie zu Green Claims und technischen Produkten“ >>).
Praxis der Wettbewerbszentrale: Bisherige Regelungen ausreichend – Höchstrichterliche Klärung durch BGH erwartet
Die Wettbewerbszentrale führt derzeit mehrere Musterverfahren, um gerichtlich klären zu lassen, welche Anforderungen an die Werbung mit „klimaneutral“ zu stellen sind. Dreh- und Angelpunkt der Verfahren sind das Irreführungsverbot sowie das Transparenzgebot nach §§ 5, 5a UWG.
Zwischenzeitlich liegen einige obergerichtliche Entscheidungen vor, die zeigen, dass diese vorhandenen Regelungen auch für umweltbezogene Aussagen genügen und keine neuen Vorschriften notwendig sind. Zuletzt hat das OLG Düsseldorf in zwei Verfahren der Wettbewerbszentrale zur Werbung mit „klimaneutral“ geurteilt und ihre Forderung nach mehr Transparenz bestätigt (siehe dazu die Pressemitteilung vom 06.07.2023 >>): Der Verbraucher habe ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht werde oder nur durch den Erwerb von CO₂-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter, so der Senat.
In einem dieser Verfahren hat die Wettbewerbszentrale die zugelassene Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, sodass eine höchstrichterliche Entscheidung zur Werbung mit „klimaneutral“ erwartet werden darf (BGH Az. I ZR 98/23). Siehe dazu die News vom 17.07.2023 >>.
Weiterführende Informationen
Stellungnahme der Wettbewerbszentrale zur Green Claims Richtlinie (PDF-Download) >>
ug/tv
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