Der BGH hat dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob einem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische gesundheitsbezogene Vorteile bereits dann spezielle gesundheitsbezogene Angaben „beigefügt“ i. S. d. Art. 10 Abs. 3 HCVO (1924/2006/EG) sind, wenn ein Verweis auf der Vorderseite einer Umverpackung keinen eindeutigen Hinweis auf die zugelassenen Angaben auf der Rückseite enthält (Beschluss v. 12.07.2018, Az. I ZR 162/16 – B-Vitamine).
Geklagt hatte die Herstellerin von „Tebonin“, einem pflanzlichen Arzneimittel mit Ginkgo-Blätter-Extrakt zur Behandlung von Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, gegen die Vertreiberin des Nahrungsergänzungsmittels „Doppelherz aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin“. Bei diesem handelt es sich um ein Kombinationspräparat, das aus insgesamt acht Inhaltsstoffen besteht. Auf der Vorderseite der Umverpackung befand sich die Angabe „(B-Vitamine und Zink) für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis. Auf der Rückseite waren Angaben zur Zusammensetzung der Kapseln und der Wirkweise der verschiedenen Inhaltsstoffe aufgedruckt.
Die Unterlassungsklage vor dem LG Düsseldorf hatte keinen Erfolg (Urteil v. 28.08.2014, Az. 14c O 138/13). Auch die Berufung war erfolglos (OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.06.2016, Az. I-15 U 8/15). Im Rahmen der Revision setzte der BGH nun das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Art. 10 Abs. 3 HCVO zur Vorabentscheidung vor.
Nach Auffassung des BGH komme es in dem Verfahren darauf an, wie das Merkmal des „Beifügens“ i. S. v. Art. 10 Abs. 3 HCVO auszulegen sei. Bei der in Rede stehenden Angabe auf der Vorderseite der Umverpackung handle es sich um einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile i. S. v. Art. 10 Abs. 3 HCVO. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittel für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden stellten zwar gesundheitsbezogene Angaben i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO dar. Sie könnten jedoch aufgrund ihrer allgemeinen, nichtspezifischen Formulierung nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein. Zudem könnte eine Angabe zu einzelnen Bestandteilen eines aus mehreren Inhaltsstoffen bestehenden Kombinationsprodukts nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein, da nicht klar sei, welche konkrete Wirkung welchen konkreten Bestandteils i. R. e. solchen Verfahrens wissenschaftlich zu überprüfen sei.
Bei den Angaben auf der Rückseite der Umverpackung handle es sich um spezielle gesundheitsbezogene Angaben. Auch sei davon auszugehen, dass ein Verbraucher, der die Packung umdrehe, von einem eindeutigen inhaltlichen Bezug zu den beanstandeten Angaben auf der Vorderseite der Verpackung ausgehe. Fraglich sei aber, ob diese Angaben auf der Rückseite der Verpackung dem Verweis auf der Vorderseite „beigefügt“ i. S. d. Art. 10 Abs. 3 seien, da zwar ein eindeutiger inhaltlicher Bezug zwischen dem Verweis und den Angaben bestehe, der Verbraucher aber nicht durch einen dem Verweis räumlich zugeordneten Hinweis, wie beispielsweise einem Sternchen-Vermerk, eindeutig auf die Angaben auf der Rückseite hingeleitet werde.
Weiterführende Informationen
Urteil im Volltext in der Rechtsprechungsdatenbank des BGH >>
Entscheidung der Vorinstanzen im Angebot der Wettbewerbszentrale (Login erforderlich)
LG Düsseldorf, Urteil v. 28.08.2014, Az. 14 c O 138/13 >>
lk/hg
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