Aus gegebenem Anlass weist die Wettbewerbszentrale darauf hin, dass das gesetzliche Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften auch für Kompletträder gilt und die Ausnahmeregelung für Kundenspezifikationen nicht greift. Dies ergibt sich aus den bislang vorliegenden Entscheidungen, insbesondere der Entscheidung des KG Berlin, Urteil vom 23.04.2015, Az. 5 U 111/14.
Gegenstand des Verfahrens war die Klausel in den AGB des Onlineshops eines Reifenhändlers:
„Das Widerrufsrecht ist für Waren ausgeschlossen, die wir nach Kundenspezifikationen ausführen. Hierunter fallen alle Lieferungen vom Kompletträdern, die individuell nach Ihren Vorgaben erstellt werden.“
Diesen pauschalen Ausschluss des Widerrufsrechts hatte die Wettbewerbszentrale beanstandet.
Bei Fernabsatzgeschäften kann der Verbraucher nach § 312g Abs. 1 BGB den abgeschlossenen Vertrag bis zu 14 Tage nach Erhalt der Ware widerrufen. Es gibt allerdings Ausnahmen wie z. B. die in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB geregelte Kundenspezifikation, die Verträge zur Lieferung von Waren betrifft, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist. Die Vorschrift gilt jedoch nur, wenn sich die betreffende Ware ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile mit geringem Aufwand wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen lässt. Außerdem muss die Ware im Fall der Rücknahme für den Händler wirtschaftlich wertlos sein, da er sie wegen der besonderen Spezifikation nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann.
Mit Urteil vom 22.07.2014, Az. 15 O 497/13 bestätigte das LG Berlin die von der Wettbewerbszentrale vertretene Auffassung, dass bei Kompletträdern nicht zwangsläufig eine Kundenspezifikation i. S. v. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegt. Im sich anschließenden Berufungsverfahren beurteilte auch das KG Berlin die Klausel als wettbewerbswidrig. Die Vorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB lasse sich nicht pauschal auf Kompletträder anwenden. Auch wenn sich Kompletträder nicht immer mit geringem Aufwand ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit von Reifen und Felgen wieder auseinander bauen ließen und ein Absatz im zusammengebauten Zustand nur mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen möglich sei, sei dies jedoch nicht stets der Fall (Urteil vom 23.04.2015, Az. 5 U 111/14).
Auch nach LG Hannover, Urteil vom 20.03.2009, Az. 13 S 36/08 und AG Marienberg, Urteil vom 06.06.2014, Az. 1 C 419/13 lässt sich das gesetzliche Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzgeschäften für Kompletträder nicht pauschal ausschließen.
(M 3 0237/13)
Weiterführende Informationen
Zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale im Bereich Automotive/ Kfz-Branche >>
Jahresbericht 2014 der Wettbewerbszentrale >>
sp
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